AfD folgt Erfolgsrezept von Wilders
Islamfeindliche Äußerungen der Parteispitze machen Fokuswechsel deutlich
Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) ist eine Ein-Themen-Partei. Sie bedient die weit verbreitete Angst vor Flüchtlingen. Doch die Reisediplomatie der Großen Koalition zeigt Wirkung: Die Fluchtroute über die türkische Ägäis ist dicht. In Libyen könnte es auch bald wieder eine Zentralmacht geben, die die Verzweifelten aus Somalia und Eritrea davon abhält, die Schlepperboote übers Mittelmeer zu besteigen. Deshalb ändert die Parteiführung ihre Strategie und verschiebt den Fokus auf eine drohende Islamisierung der Bundesrepublik. Die niederländischen Rechtspopulisten der Partei für die Freiheit des Demagogen Geert Wilders stellen seit Jahren unter Beweis, dass man mit einem dezidiert islamfeindlichen Image auch dauerhaft Wahlerfolge erzielen kann. Derzeit ist die Partei drittstärkste Kraft im Parlament.
Die Äußerungen der beiden Vorstandsmitglieder Beatrix von Storch und Alexander Gauland, die am Wochenende den Islam als »politische Ideologie« und »Fremdkörper« bezeichneten und ein Verbot von Minaretten forderten, legen die Vermutung nahe, dass man Wilders nacheifern will. Auf dem kommenden Parteitag in Stuttgart Ende April soll die Anti-Islam-Politik in den Mittelpunkt des Programms gerückt werden. Das erspart der Partei lästige Diskussionen um den richtigen Kurs in der Sozialpolitik.
Die Reaktionen aus Politik und Gesellschaft ließen nicht auf sich warten: Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, rückte am Montag die Rechtsausleger in die Nähe der NSDAP: Mit der AfD gebe »es zum ersten Mal seit Hitler-Deutschland eine Partei, die erneut eine ganze Religionsgemeinschaft diskreditiert und sie existenziell bedroht«, so Mazyek im NDR.
Der kirchenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Franz Josef Jung (CDU), sprach in der Tageszeitung »Die Welt« am Montag von einem »extremistischen Denken, das mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist«. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, warf der AfD vor, »den Islam als pauschales Feindbild zu konstruieren, um so auf Wählerfang zu gehen«. Die religionspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christine Buchholz, warf der AfD vor, sie kanalisiere die »soziale Unzufriedenheit und Abstiegsängste in rassistische Hetze« und lenke so »von der sozialen Spaltung und der ungerechten Verteilung des wachsenden Reichtums ab«.
Kritik kam auch vom früheren AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke. »Mit populistischen Forderungen wie Minarettverboten oder islamischen Gottesdiensten nur in deutscher Sprache fördern wir nur die Radikalisierung von Muslimen«, sagte er der »Berliner Zeitung«.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die AfD-Äußerungen zurückgewiesen. »Wir haben in Deutschland die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Religionsausübung, und das gilt natürlich auch für Muslime in unserem Land«, sagte sie am Montag nach einem Treffen mit dem indonesischen Präsidenten Joko Widodo.
Aber es gab auch Stimmen, die Forderungen der AfD-Führung nicht einfach so abzutun. Dazu gehörte Julian Reichelt, Chefredakteur bei »bild.de«, dem Onlineableger des Boulevardblattes: »Wenn die Politik auf berechtigte Sorgen der Menschen mit furchteinflößenden Worten reagiert, anstatt wichtige Debatten in ihre Mitte zu holen, dann treibt sie den Radikalen die Wähler zu«. Mit dpa
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