Kretschmann will Parteilinke marginalisieren

Grüne streiten über ihre Führungsstrukturen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Trotz seiner Wahlerfolge ist der Einfluss des einzigen Ministerpräsidenten der Grünen, Winfried Kretschmann, auf die Ausrichtung der Ökopartei nicht unbegrenzt. Nachdem der Baden-Württemberger in einem Interview mit der »Süddeutschen Zeitung« das Spitzenquartett der Grünen - Doppelspitze in Partei- und Fraktionsführung - als »Schönwetterveranstaltung« kritisiert hatte, regte sich Widerspruch. Parteichefin Simone Peter schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, warum die Spitzenduos, denen jeweils mindestens eine Frau angehören muss, Teil der Identität der Grünen sind: »In Doppelspitzen muss man lernen, Macht zu teilen. Das fällt Männern bis heute schwer. Genau deswegen halten wir daran weiter fest.« Unterstützung erhielt Peter vom Vorstandsmitglied Gesine Agena.

Auch in der Bundestagsfraktion waren kritische Stimmen zu hören. »Wer den Wert der Doppelspitze nicht versteht, hat leider wenig verstanden«, monierte die stellvertretende Fraktionschefin Katja Dörner. Ähnlich äußerten sich ihre Kollegen Ulle Schauws und Sven-Christian Kindler.

Als Antifeminist wollte sich Kretschmann freilich nicht darstellen. Er hat vielmehr ein Problem mit den Doppelspitzen, weil sich Realos und Linke die Führungsämter teilen. Dagegen will Oberrealo Kretschmann durchsetzen, dass sein Flügel künftig in der Partei den Ton angibt. Das würde bedeuten, dass sich die linken Grünen unterordnen müssen.

Die Voraussetzungen hierfür könnten auch durch die Urwahl des Spitzenkandidatenduos für den Bundestagswahlkampf 2017 geschaffen werden. Hierfür haben sich bislang Parteichef Cem Özdemir, Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck sowie die Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt beworben. Letztere wäre ohne weibliche Konkurrenz wegen der Frauenquote sicher gewählt. Kretschmann kündigte an, Özdemir, der ebenfalls kein Freund von Führungsduos ist, bei den parteiinternen Wahlen zu unterstützen. Er lobte auch Habeck als »sehr klug und charismatisch«. Den einzigen linken Anwärter, Hofreiter, ein Befürworter von Doppelspitzen, erwähnte Kretschmann nicht.

Wenn die Realos ihren linken Konkurrenten bei der Urwahl ausstechen sollten, könnten sie nach der Bundestagswahl die Führerschaft bei Koalitionsverhandlungen mit der Union übernehmen und hätten den ersten Zugriff auf Ministerposten. Auch wenn eine entsprechende Satzungsänderung vorerst nicht durchsetzbar ist, haben auch die Sticheleien gegen die Doppelspitzen taktische Gründe. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner wies darauf hin, dass beim Parteitag im November beschlossen wurde, per Urwahl ein Spitzenkandidatenduo zu bestimmen. »Das wäre der Zeitpunkt gewesen, zu beantragen, dass wir nur eine Spitzenperson wählen sollen«, erklärte Kellner. Das wussten auch die Realos. Aber sie haben, wenn die Bundestagswahl nicht so erfolgreich verlaufen sollte, wie es sich die Grünen erhoffen, mit ihrer Kritik an den Führungsstrukturen einen Grund parat, woran es gelegen haben könnte. Ein Argument mehr, sich künftig an Kretschmann zu orientieren, der seinen erfolgreichen Wahlkampf in Baden-Württemberg allein auf sich zugeschnitten hatte. Kommentar Seite 4

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