Gegen die AfD sein: reicht nicht!
Tous ensemble, alle zusammen: Ein Bündnis gegen Rechts muss nachhaltige politische Alternativen entwickeln
Es ist ein großer Erfolg, dass sich gegen die AfD ein spektrenübergreifender Widerstand formiert. Die AfD verschiebt den öffentlichen Diskurs nach rechts, sie bedroht die Errungenschaften der gesellschaftlichen Emanzipationsbewegungen und sie liefert die parlamentarische Begleitmusik zu Mord und Totschlag. Die Partei ist zu einer ernsthaften Gefahr geworden, für all jene, die nicht in ihr rechtes Weltbild passen. Es gibt also tatsächlich mehr als genug Gründe, gemeinsam aufzustehen und aktiv zu werden. Auch wir sind Teil dieser Initiative, haben den Aufruf unterschrieben und beraten uns mit Euch in Frankfurt, weil wir glauben, dass der Kampf gegen die AfD und die gesellschaftliche Rechtsentwicklung dringend geführt werden muss. Gleichzeitig denken wir aber, dass wir alte Fehler wiederholen, wenn wir uns jetzt nur über die bloße Gegnerschaft zur AfD definieren – Fehler, die wir vermeiden sollten und können.
Die Existenz der AfD stellt eine Frage an die fortschrittlichen Kräfte in diesem Land, die sich nicht einfach mit »Dagegen sein« beantworten lässt. Die AfD artikuliert nicht nur den alltäglichen Rassismus in einer neuen Qualität, sie ist auch ein Symptom sozialer Spaltung und einer tiefen Krise der politischen Repräsentation. Jahre der postdemokratischen »Experten«- Herrschaft samt ihres Sounds des Sachzwanges und der Alternativlosigkeit haben dafür den Boden bereitet. Zudem wird der Aufstieg der AfD begleitet von einem Rechtsruck der gesellschaftlichen Mitte selbst, von einem Abbau von Grundrechten und einer Abschottung der Festung Europa, die die Menschenrechte mit Füßen tritt.
Der politische Konflikt, die gesellschaftliche Polarisierung ist jetzt auch im Herzen des europäischen Krisenregimes angekommen - unwiderruflich. Momentan haben daher alle Versuche, der Rechtsverschiebung mit dem Verweis auf die etablierten demokratischen Sitten entgegen treten zu wollen, ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Denn es scheint dann fast so, als wäre unsere Welt ohne die AfD in Ordnung gewesen. Eine solche Botschaft klammert die soziale Frage aus und reduziert das gegenwärtige gesellschaftliche Problem auf die Existenz der AfD. Mehr noch: Der Versuch mit (neoliberalen) Parteien und Institutionen, die in vielen Punkten selber Teil des Problems sind, zusammen dem Rechtsruck zu begegnen, könnte sich als echtes Eigentor erweisen. Lebt die AfD doch gerade von ihrem »Außenseiterstatus« als Protestpartei und vom Frust vieler Menschen über den Status Quo. Die Frage ist daher: Welches positive und eigenständige Angebot setzt wir gemeinsam diesem Rechtsruck und der Krise der repräsentativen Demokratie entgegen?
Wir sollten darauf eine gemeinsame Antwort finden. Uns scheint dabei klar, dass diese nicht darin liegen kann, nun einfach auf eine breite, liberale Sammlungsbewegung gegen Rechts zu setzen, die das Phänomen des Rechtspopulismus isoliert thematisiert. Es geht jetzt vielmehr darum, eine neue politische Qualität des »oppositionellen Drittels« zu entwickeln. Dafür müssen wir uns einige Fragen stellen, auf die wir noch keine Antworten haben. Davor dürfen wir aber nicht kapitulieren und uns in die nächstbeste Routine flüchten – den »Kampf gegen Rechts«. Wir alle müssen jetzt mehr tun, als gemeinsam mit den Etablierten des Politikbetriebs eine schlechte Vergangenheit gegen den Rechtspopulismus zu verteidigen.
Das gilt umso mehr, als der Versuch, die Inhalte der AfD zu tabuisieren, dort scheitern muss, wo die Politik der Entrechtung und des Zynismus längst zum Normallvollzug der Mitte gehört. Das zeigt auch ein Blick auf die anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa. Um zum wirklichen Mitmachen der Vielen zu motivieren, braucht es in der aktuellen Vielfachkrise mehr als Abwehrkämpfe. Es braucht eine – wie es bei Nuit Debout in Paris so schön hieß – offensive Politik des »Alles anders«. Einen »rêve général«, einen gemeinsamen Traum. Schon mittelfristig dürfte solch ein Horizont sich als tragfähiger erweisen, als der Versuch, sich an eine erodierende Mitte zu hängen.
Auch wenn die AfD bekämpft werden muss und es dazu breiter Bündnisse bedarf, muss der Kern einer wirklichen, nachhaltigen Alternative noch entwickelt werden. Unser Vorschlag ist daher eine Einladung: Lasst uns zusammen einen offensiven Punkt finden, der zum Ausdruck bringt, was uns vereint – und wovon wir alle ein Teil sind: Die Alternative links von der Mitte, die Vielen der gesellschaftlichen Solidarität, der Beginn einer wirklichen Demokratie von unten, der praktische Konflikt mit den Herrschenden.
Blockupy schlägt vor, in diesem Herbst eine große Mobilisierung für eine solche Alternative organisieren – als Anfang. Wir wollen dabei von dem ausgehen, was wir alle ohnehin schon tun, aber darüber hinaus einen gemeinsamen Prozess für einen sozialen und grenzübergreifenden Aufbruch organisieren. Dazu treffen wir uns am 7. und 8. Mai in Berlin. Auf das bald alle von uns, und niemand mehr von der AfD redet. Erst recht nicht wir.
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