»Der Sigmar« lässt den Arbeiterflügel alleine schlagen

Die größte Arbeitsgemeinschaft der SPD möchte nicht das Positive in den Vordergrund stellen

  • Marcus Meier, Duisburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) will den Mindestlohn und den Hartz-4-Satz deutlich erhöhen. Das beschloss sie auf ihrem Bundeskongress. SPD-Chef Gabriel bekam es nicht mit.

Der Parteivorsitzende zog es vor, erst gar nicht zu kommen, seine Generalsekretärin ging bald wieder, dabei hätte es so viel zu bereden gegeben. Sigmar Gabriels Absenz und Katarina Barleys schneller Abgang nach langer Rede und kurzer Debatte wurde durchaus als Affront empfunden auf der Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen. Aber auch so wäre die Stimmung schlecht gewesen auf dem Treffen des Gewerkschaftsflügels der SPD, das am Wochenende in Duisburg stattfand. Die SPD durchlebe gerade eine schwere Zeit, betonte der AfA-Bundesvorsitzende Klaus Barthel, und verwies auf die »verheerenden« Wahl- und Umfrageergebnisse seiner Partei.

Diese seien keine Momentaufnahme, sondern Ausdruck eines tiefgreifenden Vertrauensverlustes: Die SPD habe unter Kanzler Schröder den Gestaltungsanspruch aufgegeben. Nun stoße die rechte AfD »mit ihrem Irrsinn« in das Vakuum. Barthel forderte SPD-Angebote für den kleinen Mann und die kleine Frau. So müsse der Mindestlohn in einem ersten Schritt auf zehn Euro erhöht werden.

Für Vorbilder hält Barthel die Schwesterparteien in Spanien und England, weil beide ein »sehr klares linkes Profil« aufwiesen. SPD-Chef Gabriel müsse den »sozialen Markenkern« der SPD herausstellen, betonte der Bundestagsabgeordnete im Vorfeld des Kongresses. Mit einem Wahlergebnis von 96,4 Prozent wurde der AfA-Chef in seinem Amt bestätigt.

Zu ihren Hochzeiten in den 1970ern überzeugte die SPD fast jeden zweiten Wähler - bei Wahlbeteiligungen von über 90 Prozent. Heute geht nur noch jeder Zweite zur Wahl, und davon wählt nur jeder fünfte die Sozialdemokratie. SPD? 20 Prozent, Tendenz: sinkend. Auch mit Europa und Deutschland geht es aus ihrer Sicht bergab, das machten viele Redner in Duisburg deutlich.

Der durchschnittliche AfA-Delegierte ist Gewerkschaftsmitglied und mehr als nur dezent ergraut. Er mag »die Andrea« Nahles, Bundesarbeitsministerin, aber nicht »den Sigmar« Gabriel. Er hasst »die Fehler« der Schröder-Jahre und würde sie gerne rückgängig machen. Gerne möchte er seine Partei wieder richtig lieb haben, aber die macht’s ihm so verdammt schwer.

Sein Frust ist groß, der Wunschkatalog der AfA entsprechend lang. Er betrifft Werkverträge und Leiharbeit, den Ausbau der Mitbestimmung, die Rente und vor allem den Mindestlohn. Der soll »deutlich« erhöht werden, beschloss die AfA. Der Betrag »11,50 Euro«, drei Euro mehr als bisher, wurde indes gestrichen. Konkreter wurde man bezogen auf den Hartz-IV-Satz, der soll auf 450 Euro steigen.

Denkbare Machtperspektiven scheinen weniger interessant zu sein: Dass eine rechnerische rot-rot-grüne Mehrheit im derzeitigen Bundestag existiert, die viele AfA-Forderungen sofort umsetzen könnte - es ist kein Thema in Duisburg.

Zwar beschäftigte sich der Kongress primär mit den Perspektiven des arbeitenden Menschen in der digitalen Arbeitswelt, er fand aber kaum Niederschlag im Netz, was sonst jedem ländlichen Kaninchenzüchterverein gelingt.

SPD-Generalsekretärin Barley umschmeichelte derweil die Delegierten: Sie sei ein bekennender AfA-Fan, lächelte die 47-Jährige in den Saal. Doch »die Leute« wollten von der SPD zukunftsgerichtete Diskussionen und keine Selbstkasteiungen.

Auf den Mindestlohn könne man als Sozialdemokrat »stolz wie Bolle« sein. Auch ansonsten habe man in der Regierung »viel erreicht«. Notwendig sei indes eine professionelleres »Marketing« der Partei: So gelte es, die Reihen zu schließen. Kritik solle nur hinter verschlossenen Türen stattfinden, forderte die Partei-Managerin. Das »Wording« der SPD müsse »das Positive in den Vordergrund« stellen.

Und die neue Konkurrenz im Kampf um die Arbeitnehmerstimmen? »Die Leute wissen nichts über die AfD«, betonte Barley. Zum Beispiel, dass die Rechtsaußen-Partei für Freihandelsabkommen sei. »Wie der Sigmar«, entfuhr es da einem Delegierten.

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