Sanders-Unterstützer planen unabhängige Plattform

Die Wahlkampagne des linken Demokraten könnte bald zu Ende sein - die hinter ihm stehende Bewegung will weiter kämpfen

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
Für Bernie Sanders ist es kaum noch möglich, den Vorsprung von Hillary Clinton im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur einzuholen. Seine Anhänger wollen sich unabhängig davon neu organisieren.

Die klare Niederlage bei den parteiinternen Vorwahlen der USA-Demokraten in New York mit einem Abstand von 16 Prozent auf Hillary Clinton dürfte Bernie Sanders in den Knochen stecken. Sein Rückstand drohte sich durch die Abstimmungen am Dienstag jedoch noch weiter zu vergrößern. Umfragen vom Wochenende gaben Clinton in Connecticut einen Vorsprung von neun Prozent, in Pennsylvania acht Prozent und in Maryland 25 Prozent. Auch in den Kleinstaaten Delaware und Rhode Island wurde gewählt.

Bernie Sanders bekräftigte dennoch in Interviews, er werde den Wahlkampf mit voller Kraft weiterführen und auf jeden Fall bis zu den Vorwahlen im delegiertenreichen Kalifornien am 7. Juni im Rennen bleiben. »Wir sind mittendrin, wir geben keine Todesanzeige auf«, sagte er am Sonntag im Fernsehsender CBS.

Er setzt zurecht auf das massive politische Gewicht, das er sich parteiintern verschaffen konnte. Laut den Wahlprognosen könnte Sanders die Bundesstaaten Indiana (3. Mai) und Kalifornien, wo es bis dato Kopf an Kopf mit Clinton steht, sogar noch gewinnen. Insgesamt läge er dann numerisch aber trotzdem zurück und müsste mit dem Zugeständnis seiner Niederlage in den Demokraten-Parteitag Ende Juli gehen.

Treffen die ernüchternden Prognosen zu und Sanders wird nicht der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, so verfügt er dennoch weiter über beachtliches politisches Kapital und Druckpotenzial. Denn die Millionen von Amerikanern, die ihn seit Monaten mit Kleinspenden, unbezahlter Tür-zu-Tür-Wahlwerbung, erfindungsreicher Social-Media-Arbeit und linken Veranstaltungen unterstützen, lassen sich nicht so einfach nach Hause schicken. Ein Drittel der Graswurzelbewegung, die sich hinter der »Sanders Kampagne« versammelt hat, will laut Umfragen sogar »auf keinen Fall« Hillary Clinton wählen.

Da in der Wahlbewegung nüchtern gerechnet wird, loteten schon vor der New Yorker Niederlage Aktivisten die Stimmung aus, wie es nach den Vorwahlen und dem Parteitag weitergehen soll. Ein erstes Ergebnis ist eine für Mitte Juni geplante »Bewegungskonferenz« in Chicago.

Dort soll die von Sanders anvisierte »politische Revolution« diskutiert werden und detailliert in eine Plattform münden. Im Kongress federführend sind die aus den Occupy-Wall-Street-Protesten entstandenen »People for Bernie« und die mitgliederstarke Krankenschwesterngewerkschaft »National Nurses Union« sowie die größte Organisation demokratischer USA-Sozialisten, die »Democratic Socialists of America«. Die Umweltschutzorganisation »350.org« wird ebenso teilnehmen wie die »Progressive Democrats of America«.

Zu erwarten sind - laut Einladung »unabhängig davon, ob Sanders gewinnt oder verliert« - Vertreter sämtlicher Organisationen und Basisbewegungen, die Bernie Sanders unterstützen. Dazu gehören auch die meisten sozialistischen Kleingruppen. Dabei werden die USA-Linken und -Liberalen nicht um die schwierige Frage herumkommen, welche organisatorischen Formen die Sanders-Wahlbewegung annehmen müsste, um einerseits wie Occupy-Wall-Street nicht unterzugehen und sich andererseits nicht von der Demokratischen Partei aufsaugen zu lassen. Bernie Sanders sprach mehrfach davon, ihm gehe es darum, den Vorwahlkampf als Plattform für seine Überzeugungen zu nutzen und dazu als Demokrat aufzutreten. Andererseits versprach er, sich im Fall einer Niederlage hinter Clinton und gegen die Republikaner zu stellen. Eine Antwort auf den Spagat geben die US-Grünen, die ähnliche Positionen vertreten wie Sanders, aber bei Weitem nicht seinen Bekanntheitsgrad haben: eine dritte Partei.

Rhetorisch, aber freilich nicht bindend, hat sich das Establishment der USA-Demokraten auf Sanders bereits zubewegt. Hillary Clinton bezeichnet sich beispielsweise als »progressiv« und lehnt neuerdings Freihandelsabkommen ab. Die Führung der Demokraten hat es jedenfalls nicht nur auf die Stimmen der unzufriedenen jungen und Erstwähler abgesehen, sondern auch auf »Bernies Geheimwaffe«, so das Magazin »Politico« aus Washington. Es geht um seine E-Mail-Liste von Millionen von Wahlkampfspendern, die ihn bislang mit der Rekordsumme von 180 Millionen Dollar unterstützt haben.

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