Sisi schlägt Proteste nieder

Fast 250 Festnahmen in Ägypten nach Demonstration gegen den Verkauf von zwei Inseln

  • Oliver Eberhardt, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.
Die ägyptische Regierung übergibt zwei Inseln an Saudi-Arabien. Junge Protestierende werfen dem Militärregime einen Ausverkauf des Landes vor. Auch in den Medien wird Kritik wieder lauter.

Mit einem massiven Polizeiaufgebot hat Ägyptens Regierung Massenproteste gegen die Übergabe der Inseln Tiran und Sanafir an Saudi-Arabien unterdrückt. Die Demonstranten waren noch lange nicht in Sicht, als im Stadtzentrum von Kairo am Montag paramilitärische Einheiten der Polizei Stellung bezogen. »Es wird keine Gnade für jene geben, die versuchen, die nationale Sicherheit und lebenswichtige öffentliche oder polizeiliche Einrichtungen zu destabilisieren«, sagte Innenminister Magdi Abdel Ghaffar im staatlichen Fernsehen. Über der Stadt kreisten derweil Kampfjets, auch Hubschrauber waren zu sehen.

Als dann Menschen versuchten, auf die Straße zu gehen, war die Reaktion schnell und hart: Wann immer sich rund um den Tahrir-Platz, Ort der Umstürze in den Jahren 2011 und 2013, sowie um den Rabaa-al-Adawija-Platz, wo 2013 mehr als 1000 Unterstützer des abgesetzten Präsidenten Mohammad Mursi ums Leben kamen, größere Menschenmengen bildeten, griffen Polizisten zu und setzten Tränengas wie Gummigeschosse ein. Nach offiziellen Angaben wurden 200 Demonstranten festgenommen - die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen.

Anlass für die Proteste war die Übergabe der beiden Inseln Tiran und Sanafir im Roten Meer an Saudi-Arabien. Am Montag beging Ägypten den Jahrestag des israelischen Abzugs von der Sinai-Halbinsel 1982, ein Nationalfeiertag. Dass Präsident Abdelfattah al-Sisi die Inseln nun offiziell an Saudi-Arabien übergeben hat, wird von vielen Ägyptern als Verletzung der Integrität aufgefasst. In sozialen Netzwerken, wo sich die meist jungen Demonstranten überwiegend zusammenfanden, ist die Rede davon, Sisi betreibe den Ausverkauf Ägyptens und seiner Werte, er treibe das Land in die Hände Saudi-Arabiens. Teil der Vereinbarung mit dem Königreich ist eine saudische Investitionszusage mit einem Gesamtwert von bis zu 20 Milliarden Euro.

Doch bei alledem geht es nur vordergründig um die beiden von Zivilisten unbewohnten Inseln. Das Land befindet sich in einer tiefen wirtschaftlichen Krise und ein Großteil der Unterstützung für Sisi in den Jahren nach seiner Machtinstallation im Sommer 2013 baute sich auf dem Versprechen des wirtschaftlichen Aufschwungs und der politischen Stabilität auf. Doch der versprochene Aufschwung ist nicht nur ausgeblieben; man wirft der Regierung vor, die Lage noch zu verschlechtern, indem man an vergleichsweise kleinen Aufgaben versagt.

So stoppten ausländische Fluggesellschaften nach dem wahrscheinlich durch eine Bombe verursachten Absturz einer russischen Passagiermaschine im Herbst 2015 ihre Flüge nach Ägypten. An den Sicherheitsvorkehrungen an den Flughäfen wurde so gut wie nichts verändert, stattdessen stellen Regierungssprecher die Restriktionen als »ausländische Verschwörung« dar. Gleichzeitig kündigte man immer neue Megaprojekte wie den Ausbau des Suezkanals an, wo die Erwartungen sich am Ende nicht erfüllten.

Auffällig ist, dass mittlerweile auch in den ägyptischen Medien, die nach dem Umsturz der staatlichen Kontrolle unterstellt worden waren, vermehrt Kritik am Führungsstil des Präsidenten geübt wird - und das, obwohl die journalistische Arbeit selbst zu Zeiten des Dauerpräsidenten Husni Mubarak nie so unfrei war wie heute. Allein am Montag wurden mindestens 48 Journalisten fest genommen. Eine Vielzahl von Reportern wurde angeklagt.

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