Warum soll es beschissen sein gegen Landolf Ladig zu demonstrieren?

Reflexionen über den Streit zwischen Antifaschisten und Bodo Ramelow

  • Markus Mohr
  • Lesedauer: 6 Min.

Zwischen dem Genossen Bodo Ramelow und einigen Antifa-AktivistInnen ist es am Rande einer Feier in Halle an der Saale zu einer verbalen Rauferei über die Perspektiven einer für den Himmelfahrtstag in Bornhagen, dem Wohnort des AfD-Häuptlings Björn Höcke, geplanten Demonstration gekommen. Davon existiert ein Video, das im Netz kursiert. Darauf ist zu hören, dass Ramelow in jovial-gelassenen Ton den jungen Antifaschisten unmissverständlich eine ganze Reihe von Aussagen in die Visage geigt: »Es kotzt mich an, wie arrogant ihr seid. (…) Ich finde den Aufruf beschissen. (…) Das ist so eine intolerante Aktion!«

Leider ließen die Antifa-AktivistInnen hier die gute Gelegenheit verstreichen zu begründen, warum es ihrer Meinung nach völlig gerechtfertigt ist, gegenüber der Partei »Alternative für Deutschland« als auch gegenüber Björn Höcke in jeder Weise arrogant aufzutreten. Stattdessen verwahrt sich einer von ihnen, von Ramelow geduzt zu werden. Verdammt! Wenn man schon von Bodo geduzt wird, muss man doch die Gelegenheit beim Schopfe packen, entschlossen zurückzuduzen. Hier eröffnet sich doch ein vielleicht minimales Fenster auf eine Assoziation mit einem potenziellen Genossen, der sich nun mal dazu entschlossen hat, als leibhaftiger Ministerpräsident sich über die Maßen den Arsch in Tausend anderen Angelegenheiten abzuarbeiten. Soweit also so schlecht. Und dann brach leider das Video ab.

Zur Sache selbst: Ramelow ist vorher auf eine Meldung von Höcke hereingefallen, der behauptet hatte, es existiere ein Aufruf »linksextremer Gruppen«, direkt vor seinem Wohnhaus zu demonstrieren. Darauf reagierte er mit einem Tweet, der die geplante Antifa-Demonstration in dem thüringischen Dorf mit überproportionalem AfD-Wähleranteil mit »Nazi-Methoden« in eins setzte. Das ist in dieser konkreten Angelegenheit natürlich Unfug, verweist aber natürlich auf die Anrufung der Extremismusdoktrin gegen die Antifa. Kurz: Der von Ramelow persönlich inthronisierte neue Helmut Roewer mit dem Namen Stephan Cramer ist nun gehalten, als Verfassungsschutzpräsident seines Amts gegen die nun auch von Ramelow als extremistisch gebrandmarkte Antifa zu walten. Soweit so schlecht, aber so sind nun mal die Spielregeln bürgerlicher Ruhe- und Ordnungspolitik, mit der auch die Partei Die LINKE für einen kurzen Moment das Herz einer Charaktermaske wie Höcke gewinnen kann: »Über die politischen Grenzen hinweg müssen die demokratischen Kräfte Herrn Ramelow dankbar dafür sein, dass er die kriminellen Methoden der Antifa schonungslos offengelegt hat«, sagte Höcke der rechten Gazette »Junge Freiheit«. Voilà!

Auch dagegen ist nun zu diskutieren und dafür kann die Ramelowsche Hypothese eines als »beschissen« gewürdigten Aufrufs einer Überprüfung unterzogen werden. Und ganz bestimmt ist es doch nicht gelogen, wenn die Vorsitzende der Partei Die LINKE Thüringen und der Thüringer Linksfraktion, Susanne Henning-Wellsow, es als eine Aufgabe von Antifaschisten beschreibt »sich der kritischen Debatte zu stellen und das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen zu lassen.« Ja prima, warum denn nicht?

Zwischenzeitlich ist der Aufruf unter der blumigen Überschrift »Astraight to hell« von mehreren Antifa-Gruppen, unterzeichnet worden. Es handelt sich hier eher um eine längere Abhandlung über komplexe Themen – und Fragestellungen, in die eine ganze Reihe interessanter Gedanken hinein verwickelt sind. Dabei wird die Ambivalenz des sich in Gestalt der AfD vollziehenden rechten Durchmarsches zwischen Ost und West genauso gestreift, wie die vielschichtige Rolle und Funktion, die der Islamhass bei der politischen Rechten spielt. Aus der Sicht der Verfasserinnen habe sich »der Aufstieg des Islams zur Ideologie der Entrechteten europaweit (…) parallel zum Niedergang des Sozialstaates« vollzogen. Für den »Otto-Normal-AfDler« erscheine im Islam sowohl »die ersehnte Volksgemeinschaft« als eben diese wieder herum befürchtet werde: »Die islamischen Communities erinnern den bedrängten Mittelstand und die bereits Abgehängten auch an ihr eigenes Schicksal.«

Da, wo sich die VerfasserInnen davon überzeugt zeigen, dass - wie sie sagen »die Volksaufläufe, Krawalle und Blockadeaktionen (…) fast ausschließlich ostzonale Phänomene« seien - erscheint das zwar als gewiefte Interpretation, ist aber von der Sache nicht gedeckt. Wie sieht es eigentlich in Bayern aus, das selbst in antideutscher Perspektive immer noch dem Westen zugeschlagen wird? Dort sorgt eine auf 33 Prozent geschnellte Zustimmung zu »Aussagen mit ausländerfeindlichem Inhalt« für allerlei pogromähnliche Zusammenrottungen: »Im Juli 2015 versammelten sich im unterfränkischen Mainstockheim an drei Abenden hintereinander bis zu 300 mit Baseballschlägern und Stuhlbeinen bewaffnete RassistInnen vor einer kleinen Unterkunft für Geflüchtete.« Das und einiges anderes bestürzendes mehr kann man in einer von dem kundigen Antifaschisten Robert Andreasch verfassten Chronik aus dem Land der CSU nachlesen.

Verblüffen müssen auch die eher harmlosen Bekundungen in dem Aufruf zu Höcke, dem lediglich sein strohdummes Gebrabbel über Menschen aus Afrika vorgehalten wird. Mit Verlaub: Wie kann man in einem Aufruf zu Björn Höcke lamentieren und über den NPD-Hetzer und Thorsten Heise-Kumpel Landolf Ladig schweigen? Die genaue Lektüre der exzellenten Recherche wie Analyse von Andreas Kemper zu dieser Causa, die dankenswerterweise von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Thüringen unterstützt worden ist, ist hier unbedingt einzufordern.

Gleichwohl: Die geplante Antifa-Demonstration in dem beschaulichen 300-Einwohner-Dorf Bornhagen trifft einen Nerv, und auch darauf rekurriert mit einer kalten Logik der Unwillen von Ministerpräsident Ramelow. Die Idee zu dieser Demonstration reflektiert mit zum Teil schwachen Begründungselementen um den Gedanken, im Alltag eine Konfrontation gegen Exponenten des völkischen Mobs zu suchen. Für die Partei Die LINKE in Thüringen muss es dagegen stets um Größeres gehen: Die Verteidigung der Regierungsverantwortung. Da trennen sich dann natürlich die Wege und Antifaschisten sind allerdings gehalten, aus der notwendigen Provokation in dieser Sache die vielfältige Kommunikation vor Ort folgen zu lassen. Bitter aber wahr, dass über 36 Prozent in Bornhagen den Rattenfängern von der AfD ihre Stimme hinterher geworfen haben, alle anderen aber nicht. Insofern gibt es selbst in diesem Dorf nicht »wenige Andersdenkende«, wie in dem Aufruf von »Astraight to Hell« nachzulesen steht, sondern erheblich mehr, mit denen es sich in ihrem tätigen und alltäglichen Widerspruch zur AfD zu solidarisieren lohnt.

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