Berliner Linkspartei hat in Hochburgen Phantomschmerzen
Direktkandidaten und Parteivertreter der Sozialisten diskutieren die Bedrohung durch die Alternative für Deutschland im Ostteil der Stadt
Der Wahlkampf läuft. Offiziell geht das Buhlen um Wählerstimmen auf der Straße zwar erst sechs Wochen vor dem Wahltermin am 18. September los. Doch in den Kiezen hat das Werben für die Parteien längst begonnen – so auch in Marzahn-Hellersdorf. Kaum sind die Rollläden an der Bezirksgeschäftsstelle der LINKEN in der Henry-Porten-Straße in der »Hellen Mitte« hochgezogen, kommen die ersten Verteiler zur Abholung der Bezirkszeitung und der »Linksfraktion Aktuell« vorbei. Die Blätter werden anschließend in den Siedlungen ausgeteilt. Ob dabei auch das Thema Alternative für Deutschland (AfD) eine Rolle spielt, kann eine ältere Dame nicht bestätigen. »Ich teile nur bei Sympathisanten aus, da merkt man das nicht«, sagt sie.
Seit Wochen schreiben einige Medien die AfD als Gefahr für die LINKE im Ostteil der Stadt hoch. Wie real die Bedrohung ist, lässt sich schwer sagen. In den Umfragen schwanken die Rechtspopulisten stadtweit zwischen sieben und 13 Prozent – im Osten scheint das Potenzial höher zu sein. »Wir rechnen in einigen Teilen Ost-Berlins mit sehr guten Ergebnissen«, sagt ein Sprecher der Berliner AfD. Dabei schielen die Rechtspopulisten nicht auf »regimenahe Bürger«, wie es im AfD-Jargon heißt, sondern auf diejenigen, die die LINKE aus Protest gewählt haben.
»Die AfD ist ein Stück weit ein Phantom«, sagt der Fraktionsvorsitzende der LINKEN in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Marzahn-Hellersdorf, Björn Tielebein. Zwar kommen immer wieder vereinzelte AfD-Mitglieder zu Ausschüssen der BVV, aber auf der Straße sei es nicht so, dass die Rechtspopulisten an jeder Ecke Infostände aufstellen. Ein Thema, so Tielebein, sei selbstverständlich im Bezirk die Flüchtlingsunterbringung. Doch nachdem Hellersdorf vor zwei Jahren noch bundesweit Schlagzeilen machte, hat sich die Debatte mittlerweile beruhigt. Die LINKE, aus deren Reihe viele Mitglieder Geflüchtete ehrenamtlich unterstützen, führt die Flüchtlingsdiskussionen sachlich. »Eine vernünftige Informationspolitik ist das A und O«, sagt Tielebein.
Eine Gefahr, das haben zumindest die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt gezeigt, könnte die AfD für die Direktwahlkandidaten der LINKEN darstellen. »Die AfD-Stimmung ist da«, sagt die Hellersdorfer Direktkandidatin der LINKEN, Gabriele Hiller. Inzwischen bekommt das »Phantom« auch ein Gesicht, unter anderem soll angeblich ein ehemaliger CDU-Stadtrat als AfD-Werber durch die Siedlungen laufen. Auch für Wolfgang Brauer, der seinen Wahlkreis in Marzahn hat, sind die Rechtspopulisten »kein Phantomschmerz«. »Ich sehe eine reale politische Kraft, auch wenn sie schwer greifbar ist«, sagt Brauer. Und: »Offenbar haben viele Menschen das Vertrauen in die traditionellen Volksparteien, also auch in die LINKE, verloren.«
Seit neuestem geriert sich die AfD als »Kümmerer-Partei« für soziale Aspekte. Dazu muss sich die Linkspartei Gedanken machen, sagt der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, dem »nd«. »Wir müssen den sozial Deklassierten und Erwerbslosen zeigen, dass die Rechten nicht deren Laden sind.« Ansonsten sind die Rechtspopulisten aus Sicht Wolfs »in keinster Weise ein signifikantes Problem«. Man habe sich die Wählerwanderungen und die neuesten Umfragen genau angeschaut. In der Analyse habe sich gezeigt, dass vor allem Besserverdienende und National-Konservative die Rechtspopulisten wählen. »Die AfD ist ein Problem der bürgerlichen Mitte und nicht des Mitte-links-Spektrums«, sagt Wolf.
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