Erfolg für GEW: Keine Strafen nach Ausstand

Der Streit um das Streikrecht für Beamte könnte noch in diesem Jahr beendet sein

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Hessens CDU-Kultusminister setzt ein Disziplinarverfahren gegen Pädagogen aus. Gewerkschafter und Politik erwarten noch 2016 ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Streikrecht für Beamte.

Aufsehen hat in Hessen ein neuer Erlass der Kultusministeriums ausgelöst. Demnach setzt die Behörde alle Disziplinarmaßnahmen gegen über 4000 verbeamtete Lehrkräfte aus, die sich im Juni vergangenen Jahres an einem landesweiten eintägigen Streik der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beteiligt hatten. Bei dem Ausstand ging es um eine von der schwarz-grünen Landesregierung verhängte »Nullrunde« für Landesbeamte, Wochenarbeitszeit und Arbeitsbedingungen im Schulalltag.

Eine zentrale Aussage des Erlasses an die staatlichen Schulämter ist die Zusicherung, dass den Betroffenen als Folge der Aussetzung keine Nachteile für ihr berufliches Fortkommen entstehen sollen. Diese Zusage soll auch für bereits abgeschlossene Disziplinarverfahren gelten. Der Erlass begründet die Aussetzung mit dem noch für 2016 zu erwartenden Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts über die Klage der GEW zum Streikrecht für Beamte. Damit werde Karlsruhe eine Entscheidung über den hergebrachten Grundsatz eines Streikverbots für das Berufsbeamtentum treffen, an die alle Gerichte und Behörden künftig gebunden seien. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Interesses an einer verbindlichen Klärung »überwiegt das Interesse an der Aussetzung das Interesse an einer beschleunigten Fortführung der Verfahren«, so der Erlass wörtlich. Sobald eine Entscheidung aus Karlsruhe vorliege, werde das Ministerium den weiteren Fortgang der Verfahren prüfen und alle Betroffenen informieren, so das von Kultusminister Alexander Lorz (CDU) unterzeichnete Papier.

Diese Ankündigung des Ministeriums sei »ein erster Erfolg landesweiter Proteste gegen eine vollkommen überzogene Disziplinierungswelle«, mit der das Ministerium die Streikteilnehmer überzogen habe, erklärte die GEW-Landesvorsitzende Birgit Koch. Denn mit dieser Begründung erkenne das Kultusministerium zum ersten Mal überhaupt an, dass sich in den letzten Jahren gravierende Veränderungen in der Rechtslage zum Streikrecht ergeben hätten. Neue Urteile des hessischen Verwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts bejahten unter Bezugnahme auf die Europäische Menschenrechtskonvention ausdrücklich auch ein Streikrecht für Beamte, so Koch.

Ihr Ko-Vorsitzender Jochen Nagel gratulierte den Streikenden, die in einem monatelangen Nervenkrieg rund um die Anhörungen im Rahmen der Disziplinarverfahren Stehvermögen gezeigt hätten. »Sie haben sich nicht einschüchtern lassen, sondern vielmehr dem Kultusministerium ihren Unmut über die ständige Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen gezeigt«, so der Gewerkschafter. Im Gegensatz zur GEW hält der Deutsche Beamtenbund (dbb) das Verbot von Beamtenstreiks für angemessen. »Wer in diesem Status ist, hat kein Streikrecht«, sagte dbb-Chef Klaus Dauderstädt 2014 in einem Interview.

Rückendeckung erfuhr die GEW von der Landtagsopposition. »Die Kehrtwende des Ministers ist ein Sieg der Vernunft und ein Erfolg der Gewerkschaft«, sagte der SPD-Abgeordnete Christoph Degen. »Die Vehemenz und Härte, mit der gegen Streikteilnehmer durchgegriffen wurde, waren weder verhältnismäßig noch vor dem Hintergrund der Belastungssituation der Schulen und Schulämter angemessen«, so der Parlamentarier. »Der amtierende Minister bringt engagierten Lehrkräften und Verwaltungsangestellten nicht die Wertschätzung entgegen, die notwendig wäre«, erklärte Barbara Cárdenas (Linksfraktion). »Er ist völlig überfordert und kommt erst nach heftigen Protesten wieder zur Besinnung.« Kürzlich hatte Lorz nach starkem Unmut auch von seinem Plan Abstand genommen, Lehrerstellen aus der gymnasialen Oberstufe in andere Bildungsbereiche »umzulenken«.

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