Aus der Kanalisation gefischt

Wie Joanna Sobolewska das Warschauer Ghetto überlebte. Von Karlen Vesper

  • Karlen Vesper
  • Lesedauer: ca. 11.5 Min.

Sie ahnte, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmte, ein dunkles Geheimnis sie umgab. Sie sah es an den verstohlenen Blicken der Nachbarn und hörte gar eines Tages eine Frau zu ihrer Mutter sagen: »Mne kaschetsa schto, wascha Inotschka eto Jewrejka.« (Ich glaube, Ihre Inotschka ist eine Jüdin.) Sie litt unter den Demütigungen mancher Gleichaltriger, die sie wie eine Aussätzige behandelten, und sie wusste nicht, warum. Sie erfuhr es mit Achtzehn: Ihre Eltern sind nicht ihre leiblichen. Und: Sie ist ein Judenkind.

Danach gelangten ihr Bruchstücke von Erinnerungen ins Gedächtnis. Bilder und Sätze, die sie vergessen, verdrängt, verbannt hat. Szenen aus einer anderen Zeit, die befremdlich auf sie wirkten, die sie zunächst zurückwies, mit denen sie nichts anfangen konnte, die nicht zu ihrem Leben passten. Doch sie ließen sich nicht mehr verscheuchen, überwältigten sie. Es war anstrengend, sie zu entschlüsseln, in ihnen einen Sinn zu entde...


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