Nur das Parlament in Athen steht nicht still
Generalstreik in Griechenland vor der Abstimmung der Rentenreform und neuer Steuererhöhungen
Seit Freitagmorgen ist Griechenland im Generalstreik: öffentliche Einrichtungen bleiben geschlossen, in vielen Unternehmen wird nicht gearbeitet. Der Nahverkehr ruht, Schiffe bleiben in den Häfen. Nur die Flugverbindungen sind vom Ausstand ausgenommen, zu dem die großen Gewerkschaftsverbände aufgerufen haben.
Auf Kundgebungen und Protestdemonstrationen wenden sich die Streikenden gegen die als »Guillotine« für den Sozialstaat bezeichneten Pläne über weitere Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen, mit denen Griechenland seinen Haushalt konsolidieren will. Unter anderem sind eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 23 auf 24 Prozent, Beitragsanhebungen für die Rentenversicherungen und eine Minderung der Altersbezüge künftiger Ruheständler vorgesehen. »Solange die Regierung die Gesellschaft und ihre Bedürfnisse ignoriert, solange sie auf Maßnahmen beharrt, die die ohnehin gequälten Lohnabhängigen ins Elend treibt«, werde man »die Antwort mit permanenten Kämpfen auf der Straße« erteilen, heißt es im Aufruf des Gewerkschaftsdachverbandes GSEE.
Auch am Sonntag, dem Tag der Parlamentsabstimmung über die Maßnahmen, soll weiter demonstriert werden: Auf ihn hatten die Gewerkschaften bereits vor Bekanntwerden des vorgezogenen Votums den wegen des Ostersonntags am 1. Mai ausgefallenen Arbeiterkampftag verlegt.
Die Regierung verteidigt die Maßnahmen als »erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen mit den Institutionen«. Sie »sichern die Renten, schützen die sozial Schwachen und verteilen die Lasten aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen gleichmäßiger«, heißt es in einer Mitteilung von Freitag. Arbeitsminister Giorgos Katrougalos (SYRIZA) äußerte, er sei »stolz auf die in der Rentenreform angelegten Gleichheitsgrundlagen«.
Die größte und konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia verurteilte die Maßnahmen als »untragbar«, da »jeder Bürger damit 60 Prozent seiner bereits geminderten Einnahmen an den Staat abtreten muss«. Sprecher Giorgos Koumoutsakos kündigte an, seine Fraktion werde gegen die Reformvorlage stimmen, da sie »wachstumsschädlich« seien. Ministerpräsident Alexis Tsipras verfügt nur über eine knappe Mehrheit von 153 der insgesamt 300 Abgeordneten im Parlament.
Die Regierung in Athen will mit der vorgezogenen Abstimmung offenbar auf die europäischen Gläubiger und den Internationalen Währungsfonds einwirken, rasch neue Kredite freizugeben. Griechenland muss im Juli weitere Rückzahlungen an die Gläubiger leisten. Für Montag ist ein Treffen der Euro-Finanzminister geplant. Dabei wird es auch um das »Sparpaket auf Vorrat« gehen, das die Gläubiger zusätzlich fordern. Der Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, verteidigte es laut dpa als eine »Art Versicherung«. Die Regierung Tsipras lehnt weitere Kürzungen ab.
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