Endspiel um die Krisenpolitik

IWF-Chefin Lagarde erhöht in der Frage der Schuldenerleichterungen den Druck

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor dem Treffen der Euro-Finanzminister hat sich der Konflikt unter den Griechenland-Gläubigern noch einmal zugespitzt, besonders zwischen Internationalem Währungsfonds und der Bundesregierung.

Wenn an diesem Montag die Euro-Finanzminister zusammenkommen, um über Griechenland zu sprechen, wird die Frage neuer Schuldenerleichterungen im Zentrum stehen. Dass ohne sie kein Ausweg aus dem Schuldenkreislauf möglich zu sein scheint, glauben zahlreiche Experten, aber auch der Internationale Währungsfonds. Dessen Chefin Christine Lagarde hat der Regierung in Berlin nun praktisch ein Ultimatum gestellt: Die Gläubiger sollen sich schnell und vor Juli über einen neuen Schuldenschnitt einigen, statt auf immer neue Kürzungsmaßnahmen zu setzen. Zudem seien die Ziele des laufenden Austeritätspaktes zu hoch angesetzt.

«Ich denke, es ist Zeit für mich, unsere Position klarzustellen und die Gründe zu erklären, warum wir denken, dass spezielle Maßnahmen, Schuldenrestrukturierung und Finanzierung jetzt gleichzeitig diskutiert werden müssen», schreibt Lagarde in einem Brief an die Finanzminister der 19 Euro-Länder. Das Schreiben war von der «Financial Times» veröffentlicht worden. Darin beerdigt die IWF-Chefin faktisch auch die von der deutschen Seite durchgedrückte Idee eines zusätzlichen Kürzungspaketes auf Vorrat - das sollte dann in Kraft treten, wenn die ursprünglich abverlangten Maßnahmen nicht ausreichen. Bei dem Brüsseler Deal vom Sommer 2015 war als Ziel festgeschrieben worden, dass Griechenland einen Primärüberschuss im Haushalt von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht. Doch das ist weder absehbar noch ökonomisch sinnvoll.

«Es gibt keinen Zweifel, dass dieses höhere Ziel nicht nur schwer zu erreichen ist, sondern möglicherweise auch kontraproduktiv», so Lagarde in dem Brief an die Finanzminister. «Dreieinhalb Prozent Primärüberschuss über viele Jahre, wie in der Planung festgeschrieben, schaffen nur sehr wenige Länder. Das Kreditprogramm für Griechenland müsse »auf Haushaltszielen beruhen, die realistisch sind« - hier setzt der IWF nun auf ein deutlich geringeres Ziel, das auf einen Primärüberschuss von 1,5 Prozent hinausläuft.

Lagarde setzt mit ihrem Schreiben insbesondere die Bundesregierung unter Druck. Finanzminister Wolfgang Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel hatten die Zustimmung ihrer Fraktion zu dem dritten Kreditprogramm im Sommer vergangenen Jahres mit dem Versprechen verknüpft, der Internationale Währungsfonds werde sich - sozusagen als harter Hund der Austerität - daran beteiligen. Die »Süddeutsche« schreibt dazu: »Die politische Stimmung in Deutschland erlaubt keine weiteren Griechenland-Kompromisse. Schäuble kann sich vorstellen, was passierte, müsste er jetzt im Bundestag dafür werben, Athen Schulden zu erlassen oder Auflagen zu lockern. Ziemlich sicher würde eine Mehrheit der Abgeordneten den Antrag der Regierung stützen. Aber die Mehrheit würde nicht mehr von der Union getragen. Es wäre der Anfang vom Ende der Regierung Angela Merkel.«

SPD-Chef Sigmar Gabriel will das Thema offenbar für sich nutzen. »Alle wissen, dass diese Erleichterung der Schuldenlast irgendwann kommen muss. Es macht keinen Sinn, sich davor immer wieder zu drücken«, schrieb Gabriel laut Medienberichten an die Nachrichtenagentur Reuters. »Völlig falsch wäre es, Griechenland jetzt mit immer neuen Sparmaßnahmen zu überziehen«, das derzeitige Wirtschaftswachstum dürfe jetzt nicht durch noch mehr Austeritätsmaßnahmen zerstört werden. Gabriel wörtlich: »Die Eurogruppentagung am Montag muss einen Weg finden, den Teufelskreis in Griechenland zu durchbrechen. Griechenland braucht eine Erleichterung seiner Schuldenlast.« Mit Agenturen

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