TTIP tötet Tierschutz

USA wollen in Verhandlungen zum umstrittenen Freihandelsabkommen mit der EU an Tierversuchen festhalten

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.
Seit 2013 dürfen Kosmetika in der EU nicht mehr an Tieren getestet werden. Doch dieses ohnehin löchrige Verbot könnte nun weiter aufgeweicht werden. Die USA plädieren in den TTIP-Verhandlungen für Tierversuche.

Tierschützer werden sich noch gut an den 11. März 2013 erinnern: Vor drei Jahren trat die letzte von drei Stufen der EU-Kosmetikrichtlinie in Kraft. Seitdem dürfen innerhalb Europa weder Shampoos, noch Lippenstifte und Hautcremes über die Ladentheke gehen, die zuvor an Tiere getestet wurden. Bereits seit 2009 erhalten keine Inhaltsstoffe mehr eine Freigabe, die zuvor an Tieren getestet wurden. Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel: Wird ein Stoff nicht nur in Kosmetika verwendet, muss er weiterhin an Tieren getestet. Dennoch bedeutete die EU-Richtlinie für Tierschützer nach Jahrzehnten intensiver Kampagnenarbeit einen wichtigen Etappensieg, die umstrittenen Tests komplett abzuschaffen. Auch ohne Tests für neue Kosmetikprodukte bleibt die Zahl der Versuchstiere weiterhin hoch: Allein in Deutschland sterben jährlich etwa 2,8 Millionen Tiere in Laboren.

Nun droht für die Tierschützer ein herber Rückschlag: Anders als in der EU wollen die USA auch weiterhin an den umstrittenen Tests für Kosmetika festhalten. In den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP führen Tierversuche zum Streit. Dies gehe laut »Süddeutscher Zeitung« aus Verhandlungspapieren hervor. »In den USA sind die Tierschutzvorschriften meist noch deutlich schlechter als in der EU«, warnt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Der Verein fordert, die beiden potenziellen Vertragspartner müssten Mechanismen festschreiben, um den Tierschutz in der Landwirtschaft als auch in der Forschung voranzubringen.

Die Öffentlichkeit sieht dies ähnlich: Laut einer aktuellen Eurobarometer-Umfrage plädieren 93 Prozent der Befragten dafür, dass bei allen importierten Produkten die EU-weiten Tierschutzstandards gelten müssten. Aufseiten der US-Verhandlungsdelegation sieht man dies völlig anders. Für bestimmte Produkte sollten Tierversuche weiterhin vorgeschrieben sein, um mögliche gesundheitliche Gefahren für Verbraucher auszuschließen. Ohnehin sind die rechtlichen Regeln Kosmetika betreffend in den USA und der EU sehr unterschiedlich. Was in Brüssel als Kosmetik derzeit definiert, kann in den Vereinigten Staaten unter eine andere Regelung fallen. Beispiel Sonnenmilch: Während die Creme von der EU als Kosmetikprodukt eingestuft wird und somit unter das Tierversuchsverbot fällt, sind solche Tests in den USA vorgeschrieben. Für Kosmetika nach US-Definition überlassen die Behörden es dagegen den Herstellern, ob sie Tierversuche durchführen oder nicht.

Wie nun die US-Verhandler hatte sich beispielsweise vor einigen Jahren auch der Informationsdienst Dermatologischer Kliniken (IVDK) gegen ein Komplettverbot von Tierversuchen ausgesprochen. EU-Vertreter erklären in den Verhandlungen dagegen, es gäbe inzwischen ausreichend alternative Testmethoden, um den Verbraucherschutz zu gewährleisten.

Doch diese gewaltfreien Ersatzmethoden haben es schwer. Ihre Wirksamkeit wird danach bewertet, wie nahe die Ergebnisse an Tierversuche herankommen. Allerdings unabhängig davon, ob die Verfahren an Tieren Fehler aufweisen. Das tun diese sehr häufig: In etwa 50 Prozent aller Fälle sind die Erkenntnisse nicht auf den menschlichen Körper übertragbar. Tierschützer erklären dieses Phänomen häufig anhand eines Fliegenpilzes. Während dessen Gift für viele Tierarten völlig ungefährlich ist, kann der Verzehr für Menschen tödlich enden.

Auch wirtschaftlich führt der Streit zwischen den USA und der EU zu Problemen: In letzter Konsequenz könnte es zu einem Importverbot europäischer Produkte in die Vereinigten Staaten kommen, da die US-Regierung ihren Kosmetikmarkt vor Importen aus der EU abschotten könnte. »Die Vorgehensweisen der EU und der USA bleiben unvereinbar. Die Probleme der EU auf dem amerikanischen Markt bleiben daher bestehen«, heißt es laut »Süddeutscher Zeitung« in einer internen EU-Einschätzung zu den Verhandlungen. Umgekehrt gilt dies allerdings bereits, wenn die Kosmetika nicht den hohen EU-Vorschriften genügen. Will ein US-Unternehmen den europäischen Markt beliefern, müssen seine Produkte tierversuchsfrei sein.

Beim deutschen Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel sieht man den Dissens mit Sorge. Zwar sei dem Verband an einer internationalen Harmonisierung der Vorschriften für kosmetische Produkte viel gelegen, doch dabei dürften die »hohen europäischen Qualitäts- und Produktsicherheitsstandards« nicht gefährdet werden, sondern sollten als positives Beispiel für andere Nicht-EU-Ländern gelten. Eine Forderung nach der Wiedereinführung von Tierversuchen klingt anders.

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