»Es herrscht ein Klima der Repression«
Berta Isabel Zuñiga Cáceres über den Mord an ihrer Mutter, der Umweltaktivistin Berta Cáceres, und die Verantwortung deutscher Unternehmen in Honduras
Der Mord an Ihrer Mutter Berta Cáceres hat weltweit Bestürzung ausgelöst. Was ist der Hintergrund dieses Verbrechens?
Ihr Tod steht in einem direkten Zusammenhang mit ihrem Kampf gegen das Staudammprojekt , das von dem honduranischen Unternehmen DESA vorangetrieben wird. Seit Projektbeginn hat es immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen gegeben. Das Selbstbestimmungsrecht der indigenen Völker wurde ebenso missachtet wie das Recht der lokalen Lenca-Bevölkerung auf eine unabhängige Befragung. Von Anfang an herrschte ein Klima der Repression und Gewalt gegenüber all jenen, die sich dem Projekt entgegengestellt haben.
Welche Konsequenzen hat das Projekt für die lokale Bevölkerung?
Bisher sind sechs Personen gewaltsam ums Leben gekommen, die gegen das Projekt gekämpft haben - eine von ihnen ist meine Mutter. Eine andere Folge ist die zunehmende Militarisierung der Region um den Fluss Gualcarque, dort, wo der Staudamm errichtet werden soll. Dazu kommen Korruption, paramilitärische Praktiken, die Bestechung lokaler Politiker und die Einschüchterung der lokalen Bevölkerung. Ihnen ist der Fluss heilig, er ist aber auch Grundlage der Landwirtschaft, wird zum Wäschewaschen und zur Erholung genutzt. Jetzt hat das Unternehmen sogar schon Schilder aufgestellt, die den Zugang zum Fluss verbieten!
Sie machen die honduranische Betreiberfirma DESA für den Mord an Ihrer Mutter verantwortlich. Mit welcher Begründung?
Vor ihrem Tod hat meine Mutter 33 Drohungen gegen sie öffentlich gemacht. Alle diese Drohungen kamen von der Betreiberfirma, zum Beispiel Morddrohungen durch Mitarbeiter, daneben gab es auch Drohungen durch Dritte. Das Staudammprojekt Agua Zarca hat gezeigt, wie Unternehmen mit dem honduranischen Staat zusammenarbeiten, der die Rechte der indigenen Gruppen einfach übergeht, um Investitionssicherheit zu schaffen.
Wie hat das Unternehmen auf die Anschuldigungen reagiert?
DESA stellt sich weiter unwissend und sagt, sie hätten immer die Menschenrechte geachtet. Laut ihrer Darstellung geht der Konflikt auf die Arbeit der indigenen Organisation COPINH zurück. Obwohl es schwerwiegende Anschuldigungen gegen das Unternehmen DESA gibt, hat die Firma die Arbeiten am Staudamm nicht einen einzigen Tag unterbrochen.
In den vergangenen Tagen waren Sie gemeinsam mit weiteren Vertretern von COPINH auf einer Reise durch verschiedene westeuropäische Länder. Mit welchem Ziel?
Meine Mutter hatte schon lange eine Europareise geplant, um ein Projekt von COPINH zur Verteidigung des Lebens indigener Völker in Honduras vorzustellen. Nach ihrem Tod haben wir den Fokus der Tour etwas verändert, um auf allen möglichen Ebenen auf die Situation in Honduras aufmerksam zu machen.
Das Projekt Agua Zarca hat auch europäische Geldgeber. Was sind Ihre konkreten Forderungen?
Wir fordern, dass die niederländische Entwicklungsbank FMO und das finnische Entwicklungsfinanzinstitut Finnfund die Mitfinanzierung des Projektes endgültig einstellen. Beide haben ihre Zusammenarbeit mit dem Projekt zwar ausgesetzt, aber wir fürchten, dass sie weitermachen könnten wie bisher, sobald der öffentliche Druck wieder abflaut und sich die Aufregung gelegt hat. Auch vom deutschen Unternehmen Voith-Hydro, ein Konsortium von Voith und Siemens, das die Turbinen für das Wasserkraftwerk liefern soll, erwarten wir, dass es sich aus dem Projekt zurückzieht.
Wie hat Voith-Hydro reagiert?
Sie haben gesagt, dass es ihnen sehr leid tut, was in Honduras passiert, aber sie haben bisher nicht auf unsere konkreten Forderungen reagiert. (Anmerkung der Red: Voith hat am 4. Mai angekündigt »dass wir bis auf Weiteres alle Lieferungen für das Projekt einstellen.«)
Bei Ihren Gesprächen mit deutschen und europäischen Politikern haben sie auch die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission gefordert. Wie waren die Reaktionen?
Die waren sehr unterschiedlich, aber das Europäische Parlament hat uns zugesichert, die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchungskommission zu unterstützen. Allerdings gab es seit dem Militärputsch von 2009 schon zahlreiche Aufrufe und Solidaritätsbekundungen, aber passiert ist wenig. Wir wollen deshalb, dass konkrete Maßnahmen ergriffen werden und mehr internationaler Druck ausgeübt wird.
Sie fordern eine internationale, unabhängige Untersuchungskommission. Es gibt seit einigen Monaten die Mission zur Bekämpfung der Korruption und Straflosigkeit in Honduras unterstützt von der Organisation Amerikanischer Staaten. Kann die bei der Aufklärung helfen?
Da haben wir verschiedene Bedenken. Erstens ist die Einrichtung der Mission von Seiten der honduranischen Gesellschaft stark kritisiert worden, da sie nicht dem entspricht, was sich die Bevölkerung zur Bekämpfung der Korruption und Straflosigkeit ursprünglich gewünscht hat. Zweitens besteht das Mandat der Mission darin, die Untersuchungen zu unterstützen, die schon begonnen haben. Wir aber fordern eine interdisziplinäre Kommission verschiedener Spezialisten, die selbst ermitteln dürfen. Die honduranische Regierung jedoch sucht nur nach einer Instanz, die ihre eigenen Untersuchungen stützt.
Welche Konsequenzen hat der Mord an Berta Cáceres für die Arbeit von COPINH?
Meine Mutter war als Umweltaktivistin eine bekannte Persönlichkeit in Honduras, sie hat wichtige internationale Preise gewonnen. Wenn schon jemand wie sie ermordet wird, dann kann es jeden treffen - und tatsächlich ist einige Tage später mit Nelson García ein weiteres COPINH-Mitglied ermordet worden. Wir glauben, dass der Mord an meiner Mutter ein klares Signal an die sozialen Bewegungen ist: Sie sollen eingeschüchtert werden in ihrer Arbeit, die sich gegen einflussreiche wirtschaftliche und politische Interessen richtet.
Wie können Sie in dieser Situation überhaupt noch weiterarbeiten?
Für uns ist der Leitspruch meiner Mutter - keine Angst zu haben und unseren Widerstand fortzusetzen - eine Verpflichtung, die wir nicht aufgeben können. Wir wissen, dass es Risiken gibt, aber gerade deshalb versuchen wir die Ursachen zu bekämpfen, die zu Gewalt und Unsicherheit in Honduras führen. Und zu diesen Ursachen zählen Staudammprojekte wie Agua Zarca ebenso wie die verbreitete Straflosigkeit im Land, die die Täter schützt. Wir wollen, dass die Untersuchung des Mordes an meiner Mutter zu einem Präzedenzfall wird. Die Unternehmen sollen fortan wissen, dass sie Konsequenzen fürchten müssen, wenn sie die Menschenrechte mit Füßen treten.
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