Mit der chemischen Keule im Wald
Insektizide sollen den Eichenprozessionsspinner stoppen - Naturschützer warnen davor
Der Eiche geht es in Teilen Brandenburgs richtig schlecht. Grund ist das seit Jahren zu beobachtende vermehrte Auftreten des Eichenprozessionsspinners, eines Schadinsekts, das sich als Parasit von den Blättern des hierzulande symbolbeladenen Laubbaumes ernährt. Der Kahlfraß hemmt das Wachstum der Bäume, manch einer überlebt die Attacke auch nicht. Vor allem aber bilden die Raupen feine Härchen aus, die ein Eiweißgift enthalten, dass beim Menschen aggressive Reizungen der Haut sowie heftige allergische Reaktionen befallener Schleimhäute hervorrufen und sogar zum allergischen Schock führen können. Mit beträchtlichem Aufwand versuchen die Forstbehörden des Landes, den Schädling zurückzudrängen. Bevorzugtes Mittel: das Ausbringen von Insektiziden mit Hubschraubern oder Sprühkanonen.
Am Montag hat Brandenburgs Forstminister Jörg Vogelsänger (SPD) im Landkreis Teltow-Fläming die diesjährige Kampagne zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners gestartet. Dabei versprühten Hubschraubern Insektizide über Wäldern im Gebiet von Nuthe-Urstromtal. Nach Angaben des Ministeriums werden insgesamt rund 460 Hektar Wald im Westen des Landes, in den Landkreisen Teltow-Fläming, Havelland, Ostprignitz-Ruppin und Prignitz behandelt. Dabei werde, »um die Auswirkungen auf den Naturhaushalt möglichst gering zu halten«, vor allem das »sehr selektiv wirkende Bakterienpräparat Dipel ES eingesetzt«.
Minister Vogelsänger hat im Vorfeld der vor allem bei Naturschützern umstrittenen Aktion darauf hingewiesen, dass den von seinem Haus eingeleiteten Waldschutzmaßnahmen ein intensives Monitoring des Landesbetriebes Forst Brandenburg vorausgegangen sei. »Die Entscheidung für einen Insektizideinsatz im Wald ist nach sorgfältiger Prüfung und Auswertung des Monitorings getroffen worden«, betonte er. »Nach gründlicher Abwägung, auch der ökologischen Konsequenzen, ist eine Bekämpfung der Schadinsekten mit Insektiziden erforderlich, um massive Fraßschäden und damit ein großflächiges Absterben der Bäume zu verhindern und Menschen gesundheitlich nicht zu gefährden.«
Dieses Vorgehen des Landes stößt beim Naturschutzbund (Nabu) Brandenburg auf harsche Kritik. Der stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes, der Ökotoxikologe Werner Kratz, sagte dem »nd«: »Wir setzen uns für eine generelle Reduktion des Einsatzes von chemischen Mitteln wie beispielsweise Pestiziden in der Land- und Forstwirtschaft ein. Und wir wenden uns grundsätzlich gegen den flächendeckenden Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Wald aus der Luft.« Der Eichenprozessionsspinner führe nicht zu großflächigem Baumsterben. Vorzuziehen sei in jedem Fall die mechanische Bekämpfung durch das Absaugen und anschließende Verbrennen der Nester durch Fachleute. Dies sei zumal sicherer, da beim Einsatz von Chemie zwar die Rauben absterben würden, die hochallergenen Brennhaare aber an Ort und Stelle verblieben. Der Nabu-Vize, der als Privatdozent an der Freie Universität Berlin lehrt, warnte vor den unkalkulierbaren Folgen des »unsäglichen Giftspritzens«. Es lasse sich nicht auf nur eine Spezies eingrenzen und wirke sich auch auf Böden, Grundwasser und bis in die Nahrungskette aus. »Man darf in diesem Zusammenhang auch nicht nur vom Eichenprozessionsspinner sprechen, denn uns beschäftigt nicht nur in Deutschland das Problem eines massenhaften Insektensterbens«, so Kratz. »Düngung und Pestizideinsatz führen in der Folge zu einem Einbruch bei der Artenviefalt.«
Die Sprüheinsätze sollen bei ruhiger Witterung nur eine Woche andauern. Bei Regen oder Wind werde man sie sofort abbrechen, hieß es in Potsdam. Betroffene Areale werden mit Warnhinweisen ausgeschildert. Zu Siedlungen und Gewässern wird ein Sicherheitsabstand gehalten. In Wohngebieten werden Raupen und Nester stets abgesaugt.
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