Aufsicht für Jugendheime zu lasch
Kieler Ministerin fordert Bund zum Handeln auf
Die im vergangenen Jahr durch Recherchen der LINKEN in Hamburg ans Tageslicht gekommenen erniedrigenden Erziehungsmethoden in zwei Jugendhilfeeinrichtungen der »Friesenhof«-Gruppe in Dithmarschen waren offensichtlich keine Einzelfälle. Zwei weitere Heime in Schleswig-Holstein sind ebenfalls ins Visier der Heimaufsicht des Landesjugendamtes geraten. Dort angetroffene Missstände seien inzwischen aber abgestellt worden, berichtete die zuständige Sozialministerin Kristin Alheit (SPD) am Montag in einer Sondersitzung des Sozialausschusses in Kiel.
In der Vorwoche hatten Hamburgs LINKE und die schleswig-holsteinische Piratenfraktion schwere Vorwürfe wegen kindesgefährdender Erziehungspraktiken erhoben. Dabei war unter anderem die Rede von Demütigungen, Züchtigung, Strafsport und Isolation. Konkret richteten sich die Vorhaltungen gegen ein Haus der »Heilpädagogischen Kinder- und Jugendhilfe Dithmarschen« sowie das »Therapiezentrum Rimmelsberg« im Kreis Schleswig-Flensburg.
Alheit, ihre Staatssekretärin Anette Langner und der Referatsleiter der Heimaufsicht, Thomas Friedrich, stellten sich nun den kritischen Fragen des Landtagsgremiums, nachdem die Ministerin bereits am vergangenen Freitag kurzfristig zu einer Pressekonferenz eingeladen hatte. Dort hatte sie erklärt, dass die angeprangerten Missstände vornehmlich aus dem vergangenen Jahr stammten und keineswegs neu seien. Man sei dem unverzüglich nachgegangen, betonte Alheit. Beispielsweise sei die Anwendung eines Strafpunktesystems untersagt worden.
Dass es in Sachen Kontrollen aber nicht immer reibungslos zuging, kam im Sozialausschuss zur Sprache. So gelang Vertretern der Heimaufsicht das Betreten der Räumlichkeiten in der Dithmarscher Einrichtung nur unter Hinzuziehung der Polizei. Alheit forderte nun bessere gesetzliche Möglichkeiten auf Bundesebene, um künftig generell auch unangemeldete Kontrollen zu ermöglichen - und nicht nur anlassbezogene Kontrollen in Einzelfällen.
Der Piratenabgeordnete Wolfgang Dudda ist sich nicht sicher, ob allen Verfehlungen nachgegangen wurde. Dudda gab dazu am Montag eine eidesstattliche Erklärung ab, indem er von einem Gespräch mit einem ehemaligen Mitarbeiter berichtet, der ihm offenbar strafrelevante, das Kindeswohl betreffende Dinge schilderte. Zudem spiele laut Dudda auch sexueller Missbrauch eine Rolle.
Auch geht es um das Essen: Die insgesamt nur dürftige Verpflegung habe ein Betreiber laut Dudda damit begründet, dass die Haushaltslage nicht mehr hergebe. Das rückt auch die Frage nach den Wirtschaftsinteressen von Jugendhilfeträgern und Betreibern der Heime in den Blickpunkt.
Da nicht alle Länder über geeignete Jugendhilfeprojekte verfügen, erfolgt die Unterbringung nicht selten in anderen Bundesländern - so kamen Jugendliche etwa aus Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern nach Schleswig-Holstein. In der Ausschusssitzung wurde nun bekannt, dass es Beschwerden unter anderem aus Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern geben habe.
Auf Antrag der Opposition befasst sich derzeit ein Untersuchungsausschuss mit den Vorgängen - mit dem Ziel, sinnvolle pädagogische Konzepte auszuarbeiten. Sabine Boeddinghaus aus der Linksfraktion der Hamburger Bürgerschaft fordert: »Es muss endlich Schluss sein mit Schwarzer Pädagogik in vermeintlich offenen Einrichtungen.«
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