Willkommenskulturlos
Seehofer sieht sich als Sieger über Merkels Flüchtlingspolitik
Berlin. Die SPD ist empört, die evangelische Kirche reagiert mit Unverständnis: CSU-Chef Horst Seehofer hat mit einer Bemerkung offenbar die Bundeskanzlerin treffen wollen und doch allen ins Gesicht geschlagen, die einen Rest Anstand gegenüber Geflüchteten hochhalten. Man habe das »Ende der Willkommenskultur notariell besiegelt« hatte Seehofer als Chef der bayerischen Landesregierung in deren Sitzung am Dienstag gesagt. Seehofer, der seit Monaten Kanzlerin Angela Merkel wegen deren Flüchtlingspolitik harsch angeht, hatte zuletzt die von Berlin angestrebte Beendigung der Grenzkontrollen zum Feld der Auseinandersetzung gemacht. Eine Abmachung zwischen Bayern und dem Bund, wonach die Bundespolizei verstärkt wird und weiter an der deutsch-österreichischen Grenze kontrolliert, nannte Seehofer - in Siegerpose - ein »Dokument der Wende« in der Asylpolitik. Dafür wolle Bayern zunächst auf die angedrohte Verfassungsklage gegen die Asylpolitik der Bundesregierung verzichten.
Die Unfreundlichkeiten aus Bayern zeitigen ihre politischen Wirkungen - eventuell auch bei Adressatin Merkel. Doch vor allem sehen sich Flüchtlinge in Deutschland zunehmender Gewalt ausgesetzt. Die aktuelle Dokumentation, die die Antirassistische Initiative Berlin jährlich vorlegt, belegt einen sprunghaften Anstieg der Fälle. Horst Seehofer wird diese gar nicht wahrnehmen. Mit mehr Interesse verfolgt er den Ausgang des Streits mit der Türkei, die im Deal um die Flüchtlingskrise vorzeitige Visafreiheit für ihre Bürger zu erlangen hofft. Etwas, das in Bayern ebenfalls skeptisch gesehen wird. Auch im Bundestag wird das Thema an diesem Donnerstag für heftige Debatten sorgen. Die Bundesregierung plant eine stärkere Bekämpfung der Fluchtursachen. Mit untauglichen Mitteln, wie die Opposition findet. uka
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