»Für Jubel zu früh«: Zweifel an Abschaffung der Störerhaftung
Netzpolitik.org und Juristen warnen vor Schlupflöchern und Rechtsunsicherheit durch Abmahnungen / Richter: Wenn Weg über Unterlassungsanspruch bleibt, sei »mit dem Gesetz nichts gewonnen«
Berlin. Die Meldung über eine Einigung von Union und SPD über eine Regelung, die offene private WLAN-Hotspots in Deutschland per Änderung des Telemediengesetzes möglich machen würde, hat am Mittwoch Schlagzeilen gemacht. Nun wächst vor allem die Skepsis darüber, dass wie erklärt die Störerhaftung abgeschafft wird. Dies hatte unter anderem Bundesjustizminister Heiko Maas erklärt - und als einen »überfälligen und wichtigen Schritt« bezeichnet. Nur: Wie groß ist der Schritt wirklich?
Bislang mussten die privaten Betreiber von Hotspots für das Fehlverhalten von Nutzern - etwa beim als illegal betrachteten Download von Songs oder Filmen - haften. Künftig sollen auch private oder nebengewerbliche Anbieter wie Restaurant-Besitzer das Haftungsprivileg von gewerblichen Internet-Providern genießen, das heißt, sie können nicht für das Surfverhalten anderer verantwortlich gemacht werden. So soll es zwischen den Koalitionsparteien vereinbart worden sein. Eine technische Hürde wie eine Zugangsverschlüsselung oder eine Vorschaltseite, die zuvor in der Debatte waren, sollen nicht mehr nötig sein.
Auf der Plattform netzpolitik.org wurden unterdessen Zweifel angemeldet. »Wir wunderten uns, dass es zwar eine Einigung, aber offensichtlich noch keinen konkreten Gesetzestext gab. Die Erfahrung zeigt schließlich, dass damit noch nichts in trockenen Tüchern ist und in dem konkreten Gesetzestext noch Schlupflöcher auftauchen könnten, die das eigentliche Ziel der Rechtssicherheit für Betreiber offener Netze konterkarieren«, so der Netzpolitiker Ingo Dachwitz. Vor allem »das eigentliche Problem der Rechtsunsicherheit für Betreiber offener Hotspots durch Abmahnungen« könnte demnach weiterhin bestehen bleiben.
Es sei strittig, ob es ausreichen ist, WLAN-Provider mit »normalen« Providern »gleichzustellen, um sicherzugehen, dass diese nicht mehr für Rechtsverstöße der Nutzer ihres Hotspots abgemahnt werden können«. Dies sehe auch der Richter Ulf Buermeyer so, der auf netzpolitik.org mit den Worten zitiert wird, in Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes seien »alle Access-Provider potentiell von Netzsperren oder Abmahnungen bedroht. Rechtsgrundlage hierfür ist in beiden Fällen ein Unterlassungsanspruch.« Dagegen müsse die Koalition regeln, »dass der Ausschluss der Haftung nach § 8 TMG auch Unterlassungsansprüche erfasst – so wie es der Vorschlag des Vereins Digitale Gesellschaft und der des Bundesrats vorsehen«. Sonst sei »mit dem Gesetz nichts gewonnen«. Auch andere Experten sehen das so.
»Für Jubel ist es also noch zu früh«, bilanziert netzpolitik.org - und nennt es »ärgerlich«, dass ein konkreter Änderungsvorschlag für das Gesetz »noch niemandem schriftlich vorliegt, gleichzeitig aber bereits Erfolge gefeiert werden«. Man müsse abwarten, »ob die Große Koalition tatsächlich eine bedingungslose Abschaffung der Störerhaftung beschließt oder lediglich den gröbsten Unfug aus einem Gesetz streicht, welches ansonsten die Rechtsunsicherheit für Betreiber offener Netze fortschreibt«.
Der Rechtsanwalt und Netzexperte Thomas Stadler sagte zu dem Stand der Debatte, man könne »sicherlich sagen, dass die Große Koalition die Störerhaftung nicht abschaffen wird, weil dies auch durch eine Änderung des Telemediengesetzes gar nicht möglich wäre. Die Störerhaftung wird es insbesondere im Bereich des Urheber- und Markenrechts auch künftig geben«, so Stadler. Agenturen/nd
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