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Wahlkampf gegen korrupte Ex-Genossen

Linke Parteidissidentin Minerva Mirabal kandidiert in der Dominikanischen Republik für das Präsidentenamt

  • Hans-Ulrich Dillmann, Santo Domingo
  • Lesedauer: 4 Min.
»Minou« gilt als prominente Oppositionspolitikerin in der Dominikanischen Republik. Die Tochter einer Volksheldin will nun an die Staatsspitze. Dort befinden sich ehemalige Parteikollegen.

Minerva »Minou« Tavárez Mirabal ist zwar nicht sonderlich religiös, aber bibelfest. Aus dem Stegreif zitiert sie den »Psalm vom guten Hirten«. Dort heißt es: »Der Herr ist mein Hirte«. Und weiter: »Er führet mich auf rechter Straße«. Der Zufall will es, dass die Nummer ihres Lieblingspsalms mit dem Platz auf dem Wahlschein übereinstimmt, auf dem ihr Foto an Stelle 23 platziert ist.

Ob die »Veintitrés« ihre Glückszahl ist, wird sich erst am kommenden Montag nach der Stimmenauszählung bei der Präsidentschaftswahl herausstellen. »Nur Optimismus mobilisiert«, räumt die 60-Jährige Literatur- und Sprachwissenschaftlerin einschränkend in ihrer Wahlkampfzentrale im bürgerlich gediegenen Bezirk Bella Vista der Hauptstadt Santo Domingo ein.

Minou ist die wohl prominenteste Oppositionspolitikerin der Dominikanischen Republik - und gleichzeitig Dissidentin der regierenden Befreiungspartei (PLD). Vor zwei Jahren war sie noch Mitglied des Zentralkomitees, während mehrerer Legislaturperioden Parlamentsmitglied und einflussreiche Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses. Vier Jahre lang bekleidete sie von 1996 bis 2000 während der ersten Regierungsphase der Partido de la Liberación sogar das Amt der stellvertretenden Außenministerin.

Als vor zwei Jahren eine Strafrechtsreform vom Parlament verabschiedet wurde, die unter anderem Korruption stärker unter Strafe stellen sollte, fehlte nach der entscheidenden Abstimmung plötzlich der Passus, der es Bürgern ermöglichte, Strafanzeige gegen korrupte Beamte und Politiker zu stellen.

»Das war der Tropfen, der für mich das Fass zum Überlaufen gebracht hat«, betont sie. Minou trat aus der ehemals sozialistischen Partei aus und gründete ihre eigene »Demokratische Option«. Da der Wahlrat ihrer Partei jedoch die Zulassung verweigerte, wurde sie von der sozialdemokratischen Alianza por la Democracia zur Präsidentschaftskandidatin nominiert.

Mit ihren Ex-Genossen geht sie hart ins Gericht: Die PLD sei von einer sozialen und fortschrittlichen Partei zu einem antidemokratischen und tief in Korruption versunkenen Wahlverein zur Machterhaltung degeneriert. »Sie ist geprägt von Klientelismus und fehlender innerparteilicher Transparenz«, empört sie sich über den Verrat an den ursprünglichen Parteiprinzipien. Abgeordnete hätten sich mit Duldung und Billigung von Regierung und Parteispitze unrechtmäßig Regierungsaufträge verschafft und Millionenvermögen gemacht.

Die Meinung der hochgewachsenen Frau hat nach wie vor öffentliches Gewicht. Auch wenn sich die Kritik an ihren ehemaligen Parteigenossen nur noch in Maßen in den Medien niederschlägt. Die Regierung übe über Anzeigenaufträge Druck aus, um kritische Stimmen wie die ihre aus den Zeitungsspalten zu halten. »Aber zum Schweigen bringen sie mich nicht«, sagt sie.

Dafür sorgt auch ihr prominenter Name. Ihre Mutter ist Minerva Mirabal. Im November 1960 wurde sie zusammen mit zwei ihrer Schwestern auf Befehl des Diktators Rafael Trujillo Molina ermordet. Sie gehörte ebenso wie Minous Vater zur Führung der Widerstandsbewegung Movimiento 14 de Junio. Minou war zum Zeitpunkt der Ermordung vier Jahre alt. Der Todestag ihrer Mutter, der 25. November, wurde später von den Vereinten Nationen zum »Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen« erklärt.

Drei Jahre später starb ihr Vater Manolo Tavárez in den Bergen des Landes als Guerillero im Kugelhagel. Erst kurz zuvor war der erste demokratisch gewählte Präsident Juan Bosch Gaviño von einer Militärjunta gestürzt worden. »Für mich war es immer mehr Inspiration als Bürde, die ich mit dieser Geschichte geerbt habe«, versichert Minou. Sie selbst ist bei der letzten überlebenden Schwester ihrer Mutter, Dedé, auf der Finca der Großeltern aufgewachsen. Das Gelände ist heute ein Vorzeigeprojekt für ökologische Kakaoherstellung. »Dedé«, erzählt sie, »hat uns Kindern die ermordeten Mütter ersetzt.« Ihr Cousin Jaime ist wie sie in die Politik gegangen. Er war von 1996 bis 2000 Vizepräsident des Landes, heute ist er Sportminister.

Im Dörfchen Quisqueya, 200 Kilometer westlich von Santo Domingo, haben sich knapp 100 mutige Leute auf dem Dorfplatz versammelt und empfangen »La Mirabal« mit Rara-Tröten, Tanzeinlagen und Fahnen. »Macht euer Kreuz im Kästchen 23«, ruft sie. »Mein Gesicht ist markant und wieder erkennbar.« Sie spricht die Worte voller Elan, wohl wissend, dass das Projekt »Minou Presidente« sich in der anstehenden Legislaturperiode wohl nicht realisieren wird.

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