Braunkohle macht das Pils salzig
Christoph Flessa ist überzeugt, dass Sulfat im Trinkwasser sein Bier verändert
Irgendwann um die Jahreswende, kam dem Friedrichshainer Brauer Christoph Flessa sein Bier irgendwie salzig vor. »Das Pils wirkte geschmacklich auch nicht so definiert«, sagt er. In Worte sei das schwer zu fassen. Im August werden es vier Jahre sein, dass er in seiner kleinen Hinterhofbraustube namens »Flessa Bräu« handwerklich Pils, Export, Hefeweizen und noch einige weitere Sorten Bier produziert. »Craft Beer« hat sich als Begriff dafür etabliert. Flessa hadert etwas mit dem Namen, wird damit doch auch ein neuer Snobismus von Biertrinkern in Verbindung gebracht. Doch das ist nicht die Welt des ehemaligen Hausbesetzers. Er will einfach nur gutes Bier brauen. Dass er das tut, erkennen viele an. Rund zwei Dutzend Gaststätten schenken sein Bier aus, die »taz« verkauft es in ihrem Shop.
Doch zurück zum leicht salzigen Pils. Flessa maß den pH-Wert. Statt irgendwo zwischen 5,6 und 5,3 lag er nun bei 5,1. »Das Bier war zu sauer«, sagt er. »Das kann nur am Leitungswasser liegen.« Tatsächlich hat sich sich das Wasser im Berliner Osten, der hauptsächlich vom direkt am Müggelsee gelegenen Wasserwerk Friedrichshagen versorgt wird, verändert. Die Sulfatwerte steigen seit Jahren. 250 Milligramm pro Liter sind der gesetzliche Grenzwert für Trinkwasser, 2015 lag der Spitzenwert bei nur 205 Milligramm. 2007 waren es gerade mal 150 Milligramm.
Schuld an dem Anstieg sind die aktiven und ehemaligen Tagebaue in der Lausitz. Die nötige Grundwasserabsenkung setzt chemische Prozesse in Gang, in deren Folge Sulfat in Gewässer wie die Spree gespült wird. In Berlin stammt rund ein Drittel der Sulfatbelastung aus Tagebaurestlöchern der staatlichen Renaturierungsgesellschaft LMBV und etwas über die Hälfte aus aktiven Tagebauen von Vattenfall, der Rest ist natürlichen Ursprungs. Das besagt eine Studie der LMBV, die ehemalige Tagebaue im Auftrag von Bund und ostdeutschen Ländern saniert.
Christoph Flessa hat bereits die Berliner Wasserbetriebe (BWB) wegen der Sulfatwerte kontaktiert, die jedoch keinen akuten Grund zur Sorge sahen. »Wenn ein Kleinbrauer einen erhöhten Sulfatgehalt merken will, dann hört er das Gras wachsen«, sagt BWB-Sprecher Stephan Natz. In den letzten Jahren habe es durchaus einen Anstieg gegeben, momentan gingen die Werte im Trinkwasser aber wieder etwas runter. »Das ist ja kein reines Müggelseewasser, was wir in die Leitungen pumpen«, sagt Natz. Das sogenannten Uferfiltrat bestehe ungefähr aus einem Drittel Grundwasser und zwei Dritteln Spreewasser, das durch den Sand zu den Brunnen sickert. Ungefähr ein halbes Jahr braucht das Wasser für den Weg. Die niederschlagsarmen letzten Jahre ließen die Sulfatwerte in der Spree stark ansteigen. Es fehlt einfach der Regen, der die Fracht verdünnt.
»Man kann davon ausgehen, dass es bei den geringen Niederschlägen bleiben wird«, sagt Carmen Schultze vom Umweltverband BUND. Das liege am Klimawandel. »Es gibt überhaupt kein richtiges Monitoring, wo wie viele Sulfate aussickern«, bemängelt sie. Unter Umständen müssten neue Trinkwasserquellen für die Bevölkerung erschlossen werden, so Schultze. Einfach wie bei manchen Wasserwerken in Brandenburg Sondergenehmigungen für höhere Werte zu erteilen, sei nicht die Lösung. Giftig ist der Stoff tatsächlich nicht, jedoch kann er abführend wirken.
»Die Verantwortlichen wollen das Problem so lösen, dass das Wasser einfach auf mehrere Flüsse verteilt wird«, sagt Silke Gebel kopfschüttelnd. Sie ist Umweltexpertin der Grünen im Abgeordnetenhaus. Die Hauptstadt müsse im Rahmen der gemeinsamen Landesentwicklungsplanung auf Brandenburg einwirken, um den Tagebau einzuschränken. 2015 gab es ein Treffen der beiden Länder und der Wasserbetriebe zum Thema - es endete mit Absichtserklärungen. Auch eine Schließung des Berliner Kraftwerks Klingenberg als Braunkohle-Großabnehmer würde helfen, so Gebel. »Die Braunkohle wirkt nicht nur klimaschädlich, sondern auch ganz klassisch umweltschädlich.« Christoph Flessa musste seine Braurezepte anpassen. »Weniger Sauermalz«, sagt er, sei vorerst die Lösung. Ansonsten müsste er eine Osmoseanlage anschaffen. »Die kostet richtig Geld.«
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