«Hau ab, Temer!»
Proteste gegen Interimspräsidenten in Brasilien
Rio de Janeiro. Mit lautem Topfschlagen haben Zehntausende Brasilianer gegen Übergangspräsident Michel Temer protestiert. In mehreren Großstädten schlugen sie am Sonntagabend auf Töpfe ein und skandierten «Hau ab, Temer!» und «Putschist Temer», während der neue Staatschef ein Fernsehinterview gab. Temer kündigte im Sender TV Globo an, sich 2018 nicht zur Wahl zu stellen. Das ermögliche ihm, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen.
Temer war zum Präsidenten aufgestiegen, weil er und seine Partei der Demokratischen Bewegung (PMDB) die Koalition mit Präsidentin Dilma Rousseff aufgekündigt hatten und daraufhin mit der Opposition das Amtsenthebungsverfahren unterstützten. Am Donnerstag hatte der Senat Rousseff für 180 Tage suspendiert, um die Vorwürfe gegen sie juristisch zu prüfen. Ihr werden unerlaubte Kreditvergaben und die Verschleierung der tatsächlichen Haushaltslage vorgeworfen.
Temer hat Privatisierungen, Rentenkürzungen und Stellenstreichungen im Staatsdienst angekündigt und dies mit einem Defizit im Staatshaushalt begründet. Da Temers Partei PMDB im Fokus von Korruptionsermittlungen steht und er vielen Bürgern als Wendehals gilt, sind die Vorbehalte gegen ihn groß. Bei Wahlen käme er laut Umfragen derzeit auf zwei Prozent.
Die Regierung in El Salvador den Machtwechsel in Lateinamerikas größter Volkswirtschaft scharf kritisiert. Die vorläufige Absetzung der Präsidentin gleiche einem Staatsstreich, hieß es am Samstag in einer Stellungnahme des Präsidialamts. «Deshalb erkennt die Regierung von El Salvador die so genannte Übergangsregierung in Brasilien nicht an.» Zuvor hatten bereits Venezuela, Kuba, Bolivien, Ecuador und Nicaragua die Suspendierung Rousseffs verurteilt. Brasiliens neuer Außenminister José Serra verbat sich diese Einmischung «in innere Angelegenheiten, der Wechsel sei in völligem Einklang mit der Verfassung erfolgt.
Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat erneut Dokumente über Temer veröffentlicht, wonach er ein Informant der USA gewesen ist. Die Berichte an den US-Diplomaten Christopher McMullen waren 2011 schon einmal veröffentlicht worden. Daraus geht hervor, dass er als Abgeordneter 2006 die US-Botschaft über das Innenleben der brasilianischen Politik informiert habe und sich negativ über Präsident Luiz Inácio Lula da Silva äußerte. Unter anderem kritisierte Temer laut den Depeschen Lulas starke Konzentration auf Sozialprogramme. dpa/nd Personalie Seite 4
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