Rangierlok aus dem Tagebau entgleist

Energiekonzern Vattenfall spricht nach dem Protest von »Ende Gelände« von einer »Spur der Verwüstung«

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 2 Min.
Menschen seien beim Protest gegen die Braunkohle nicht gefährdet worden, betont das Bündnis »Ende Gelände«. Der Energiekonzern Vattenfall sieht das anders.

163 Verfahren wegen Hausfriedensbruchs, 38 Anzeigen wegen Sachbeschädigung und 12 Anzeigen wegen Widerstandes gegen Polizisten. Das ist die Bilanz der Polizei zur Protestaktion »Ende Gelände« vom Pfingstwochenende. Klimaaktivisten hatten den Tagebau Welzow-Süd besetzt und den Braunkohlenachschub für das Kraftwerk Schwarze Pumpe blockiert.

Nach Darstellung des Energiekonzerns Vattenfall hinterließen die Klimaaktivisten in der Lausitz eine »Spur der Verwüstung«. Sie haben mehrere Vorrichtungen an Gleisen angeschraubt, um Kohlezüge entgleisen zu lassen, erklärte Firmensprecher Thoralf Schirmer. Bei Rangierarbeiten nach dem Ende der Blockade sei eine Lok kurz aus dem Gleis gesprungen und nur wieder auf der Schiene zum Stehen kommen, weil sie langsam gefahren sei. Außerdem sei eine Bombenattrappe abgelegt worden, und wegen manipulierter Signalanlagen hätten Züge zusammenstoßen können, was nur durch erhöhte Aufmerksamkeit verhindert worden sei.

»Menschen wurden nicht gefährdet«, betonte dagegen Mona Bricke vom Bündnis »Ende Gelände«. Sie fügte hinzu: »Wir haben bis heute keine gesicherten Hinweise auf Beschädigung von Baggern, Gleisen und Kraftwerksinfrastruktur durch AktivistInnen.«

Innenstaatssekretärin Katrin Lange bescheinigte: »Die ganz überwiegende Zahl der Klimaaktivisten hat sich friedlich verhalten.« Noch am Wochenende hatte Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) von »aus ganz Europa angereisten Rechtsbrechern« gesprochen. Daraufhin hatte LINKE-Landesvize Sebastian Walter dem Koalitionspartner »billigste Polemik« vorgeworfen. Walter sagte: »Man kann zu den aus meiner Sicht legitimen Protesten stehen, wie man will, aber solche Diffamierungen sind das Letzte.« Mehr als 3500 Menschen waren in die Lausitz gekommen, keineswegs nur aus dem europäischen Ausland angereist, sondern auch aus Australien und Malaysia.

Indessen wollen der Windenergieverband BWE und die Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie Gräben überwinden und aufeinander zugehen, wie es am Mittwoch in einer gemeinsamen Erklärung hieß. Trotz weiterhin unterschiedlicher Ansichten wolle man Gemeinsamkeiten herausarbeiten. Es gehe darum, »in einem vernünftigen Miteinander gangbare Schritte sowohl für das Gelingen der Energiewende als auch für die Zukunft der Lausitz auszuloten«, erklärte der BWE-Landesvorsitzende Jan-Hinrich Glahr. »Es gibt mehr Verbindendes, als das die gewohnte Aufteilung der Akteure in streitende Lager nahelegt«, bestätigte IG-Landesbezirkschef Oliver Heinrich. Einigen können sich beide Seite auf die Formulierung: »Wir dürfen auf dem Weg in die Zukunft keine Chance verpassen und müssen gleichzeitig sicherstellen, den bestehenden industriellen Kern nicht leichtfertig über Bord zu werfen.« Zeichen des Zusammenrückens ist ein Auftritt von Rüdiger Siebers beim Windbranchentag am 26. Mai im Potsdamer Seminaris Seehotel. Dort soll der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Vattenfall Europe Mining AG ein Grußwort sprechen.

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