Mit Vuvuzela und Farbgewehr

Anhaltende Proteste in Mazedonien gegen Korruption und Bereicherung

  • Thomas Roser, Skopje
  • Lesedauer: 3 Min.
Farben sind ihre Waffen, Empörung über Machenschaften von Politikern ihre Triebfeder. In Mazedonien gehen Tausende empörte Bürger gegen Korruption und Willkürherrschaft auf die Straßen.

Dumpf dröhnen in den Straßenschluchten die Plastikhörner der Vuvuzela. »Grujo, dem Knast entkommst Du nicht!«, skandieren Tausende, die durch das Zentrum von Skopje ziehen. Ex-Premier Nikola Gruevski sei »ein durchgeknallter Don Corleone«, der als Mazedoniens »ranghöchster Pate« das Land nach Strich und Faden ausnehme, begründet der 70-jährige Rentner Vladimir, warum er seit über einem Monat mit seiner Trillerpfeife im Mund durch Skopje spaziert: »Endlich kommt etwas gegen dieses kriminelle Regime in Bewegung.«

Einige haben die mazedonische Nationalflagge geschultert, andere tragen weiße T-Shirts mit den bunten Flecken. »Erhebt Euch, widersetzt Euch, kämpft für Eure Rechte«, scheppert ein Bob-Marley-Hit aus den Lautsprechern, als die Demonstranten vor einem unscheinbaren Gebäude stoppen. »Auf geht’s, die Farben!« ertönen aufmunternde Rufe. Und schon färben junge Frauen mit Hilfe mächtiger Wassergewehre die Wände der Steuerinspektion mit Acrylfarbe ein. Die Steuerinspektoren seien die »wichtigste Waffe« der Regierung, erklärt eine blonde Rednerin die Farbattacke: »Allen, die nicht spuren, werden sie auf den Hals gehetzt.«

Eine umstrittene Amnestie war die Geburtsstunde der »bunten Revolution« in der Balkanrepublik. Am 12. April hatte Präsident Gjorge Ivanov 56 Politiker und Geschäftsleute - zumeist aus den Reihen der konservativen VMRO-DPMNE-Regierung - von allen strafrechtlichen Ermittlungen der erst im Herbst eingesetzten Sonderstaatsanwaltschaft vorsorglich begnadigt. Nicht nur in Skopje hat das eine Welle heftiger Proteste ausgelöst.

Vor Jahresfrist hatten veröffentlichte Mitschnitte abgehörter Telefonate von Amtsträgern die Abgründe des Machtmissbrauchs enthüllt. Die Vorwürfe gegen die nun begnadigte Politprominenz reichen von massenhaften illegalen Abhöraktionen, systematischen Wahlmanipulationen, Zerstörung des Eigentums missliebiger Geschäftsleute, Missbrauch der Justiz zum Ausschalten politischer Gegner bis zu Korruption und Selbstbereicherung.

»Ohne Recht kein Frieden«, skandieren die Demonstranten, die den Hügel zum Elitestadtteil Vodno hinaufziehen. »Wenn solche Kriminelle einfach begnadigt werden, fragt man sich, ob wir überhaupt einen Rechtsstaat oder Institutionen haben«, sagt Aktivist Aleksander Donev. Er erklärt, wie die Bewegung »Protestiram - ich protestiere« entstand: »Die Begnadigung war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.«

Als »gewaltfrei, aber nicht friedlich« umschreibt der Betreiber eines Reisebüros den Charakter der Bewegung, die keine Anführer kenne und von einem »kompromisslosen Kampf gegen die Kriminellen« getragen werde: »Jeder, der unsere Forderungen teilt und Prinzipien akzeptiert, ist willkommen.«

»Ivan - off!«, fordern die vor dessen Residenz gezogenen Demonstranten den Rücktritt von Präsident Ivanov. Er ist Mitglied der oppositionellen Sozialdemokraten. »Doch hier geht es nicht darum, ob bei den nächsten Wahlen Rechts oder Links gewinnt«, sagt der 57-jährige Nikola Kalajsiski. »Hier regiert eine kriminelle Mafia, die vor nichts zurückschreckt und an deren Spitze Gruevski steht.« Der Ex-Premier sei für den Machterhalt »zu allem bereit«, warnt der Dokumentarfilmer besorgt: »Es darf hier kein Blut fließen. Europa muss uns helfen.«

Eine Heerschar von EU-Vermittlern und Gesandten müht sich schon seit einem Jahr, in Mazedonien die Bedingungen für freie und faire Wahlen zu schaffen - bislang vergebens. Gegen den Rat der EU will die VMRO allein in die für den 5. Juni anberaumten Parlamentswahlen ziehen: Von allen anderen Parteien werden diese boykottiert.

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