Im Zeichen des Brexit
EU-Referendum überschattet Parlamentseröffnung
Die Eröffnung des britischen Parlaments wurde am Mittwoch mit dem üblichen Pomp aufgezogen, aber Überraschungen gab es kaum. Im Zentrum der Feier steht jeweils die Queen’s Speech, die Thronrede, bei der Königin Elizabeth II. mit großem Zeremoniell zum Parlament kutschiert wird und vor beiden Häusern des Parlaments die Regierungspläne fürs kommende Jahr vorliest. Ungeachtet des Namens ist es keine Rede der Queen, sondern ein grober Abriss des Programms, das ihr Premierminister für das kommende Jahr plant.
Die Rede zeichnete sich durch eine Reihe von Maßnahmen im sozialen Bereich aus. David Cameron will damit wohl signalisieren, dass er nicht nur der Sparpremierminister ist, der allenthalben die Staatsausgaben kürzt, sondern sich auch für bessere Lebenschancen der Britinnen und Briten einsetzt. So kündigte er beispielsweise Maßnahmen an, die es einfacher machen sollen, Kinder zu adoptieren. Andere Gesetzesvorschläge sollen das Strafsystem stärker auf Rehabilitation ausrichten und alle Bürger mit einer schnelleren Internetverbindung ausstatten.
Doch die Monarchin las auch Gesetzesvorhaben vor, die umstrittener sein werden, etwa den Plan, eine britische »Bill of Rights« einzuführen. Dieses Gesetz soll den Vorrang des britischen Rechts vor europäischem Recht garantieren - ein Anliegen, das vor allem den EU- skeptischen Tories aus Camerons konservativer Partei am Herzen liegt. Allerdings wurde das Vorhaben eher unverbindlich vorgetragen: In der Thronrede war nur von »Vorschlägen« die Rede, die unterbreitet werden sollen.
Insgesamt brachte der feierliche Anlass wenig Neues. Die einzige Innovation schien zu sein, dass die Queen im Parlamentsgebäude nicht zu Fuß die Treppe hinaufstieg, sondern zum ersten Mal den Lift benutzte - wenig erstaunlich, schließlich feierte die Monarchin vor vier Wochen ihren 90. Geburtstag.
Die Tatsache, dass die Rede kaum Pläne von Substanz enthielt, wurde von der oppositionellen Labour-Partei sogleich kritisiert. Der Regierung sei der »Dampf ausgegangen«, sagte Schattenminister Jonathan Ainsworth. Die gleichen Worte benutzte auch der Vorsitzende der Liberaldemokraten Tim Farron. Er meinte, von den rund 30 Ankündigungen in der Thronrede seien fast alle schon vorher bekannt gewesen.
Der Grund für die Zurückhaltung Camerons dürfte darin liegen, dass die Regierung jegliche kontroversen Diskussionen vermeiden will, bis das EU-Referendum am 23. Juni vorbei ist. So stand die Eröffnung des Parlaments - wie derzeit die gesamte britische Politiklandschaft - im Schatten des EU-Referendums. Die jüngsten Meinungsumfragen sehen für Cameron und den Rest der EU-Freunde nicht schlecht aus: Zwei jüngeren Erhebungen des Instituts YouGov zufolge liegt das Lager der EU-Befürworter um zwei bis vier Prozentpunkte vorne, laut Ipsos MORI beträgt der Vorsprung sogar 18 Prozent.
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