Zensur und Propaganda
Die in der Türkei verbotene Dokumentation »Bakur« über die kurdische Guerilla PKK wird in der Kulturfabrik gezeigt
Erst wurde die Aufführung beim Filmfest Istanbul abgesagt, dann wurde »Bakur« in der Türkei ganz verboten. Ein Film, der die bewaffnete kurdische Guerilla im Alltag zeigt, beim Essen kochen und Uniformen nähen, bei der Patrouille und beim kollektiven Zeitvertreib, der Frauen zeigt, die selbstbestimmte Ideen über ihre Rolle in Ehe und Gemeinschaft haben - und Männer, die dem auch noch zustimmen -, war zu viel Propaganda in die falsche Richtung für eine Regierung, die zunehmend jeder friedlichen Lösung der Kurdenfrage mit nationalistischem Säbelrasseln im Weg steht.
»Bakur - North« von Çayan Demirel und Ertuğrul Mavioğlu ist ein Propaganda-Film, daran ist tatsächlich nicht zu rütteln. Wenn vom Feind die Rede ist, sind damit stets die türkische Regierung, das türkische Militär gemeint. Der Kampf ist »moralisch gerechtfertigt«, die PKK-Kommandeure, die hier zu Wort kommen, sind abgeklärte Männer mit Lebenserfahrung und geradezu unerhört feministischen Ideen, alle Frauen in Uniform emanzipiert, alle Guerilleros Helden.
Alle bis auf die kleine Handvoll, die Drogen dealten oder für die iranische Regierung spionierten: die werden eingekerkert. Aber noch der Kerker stellt sich dar als Freiraum der Gedanken, eine Besserungsanstalt, eng, überbelegt und in den Fels gehauen wie alle Rückzugsorte der Guerilla, seit türkischerseits Helikopter gegen sie zum Einsatz kommen, aber flächendeckend mit Teppichen ausgelegt und mit Büchern gut versorgt. Gekämpft wird nicht, jedenfalls nicht vor der Kamera. Und wenn bei einer Zeitzeugin die Einblendung mit dem Namenszug zugleich vermerkt, sie sei jetzt Märtyrerin für die gute Sache (also seit dem Dreh im Kampf ums Leben gekommen), steht ein Ort dabei, der nicht in Bakur liegt, im heute türkischen Norden der Kurdengebiete. Sondern: Kobanê, das von gesamtkurdischen Milizen vor dem IS verteidigt wurde.
Einem neuen Freiwilligen wird die Uniform angemessen, dann erst fallen mahnende Worte, er solle sich keine falschen Vorstellungen über das Guerilla-Leben machen, glamourös sei es nicht. Trotzdem rückt die Filmkamera vor allem viel grandiose Landschaft in strahlendem Sommerwetter in bildschönes Licht.
Aber wo viel Zensur ist, wird ein bisschen Propaganda sein dürfen. Auch wenn man abzieht, wie viel hier offenkundig für die Kamera hergerichtet wurde - alle Uniformen fleckenlos, alle beklemmend engen Innenräume pingelig aufgeräumt, gut belüftet und beinahe wohnlich, das Essen strikt vegetarisch, aber nahrhaft -, bleibt viel Interessantes übrig.
Dass diese Kämpfer nicht viel von Nationalstaaten halten und weniger einen kurdischen Staat als ein grenzübergreifend unabhängiges kurdisches Gemeinwesen anstreben, ist aus ihrer praktischen Erfahrung mit Grenzziehungen und Staatsgründungen nachvollziehbar. Wie das konkret aussehen sollte, bleibt unklar. Die Namen der Berge aber, durch die sie ziehen, der Schlachten, die dort geschlagen wurden, der Anführer vergangener Tage werden den jungen Kämpfern selbstverständlich beigebracht. Ein Ende dieser jahrzehntealten Traditionslinie ist eher nicht in Sicht.
Filmrauschpalast/Kulturfabrik Moabit, Lehrter Straße 35, 19.5.-1-6., Tel. 030/394 43 33, www.filmrausch.de
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