Habeck warnt Vattenfall vor Taktiererei
AKW-Betreiber stellte am Freitag seine Rückbaupläne für den Meiler im schleswig-holsteinischen Krümmel vor
Nach dem Atomkraftwerk in Brunsbüttel soll auch der Meiler in Krümmel in den nächsten Jahrzehnten komplett zurückgebaut werden. Das gab Betreiber Vattenfall am Freitag im Beisein der Atomaufsicht in Kiel bekannt. Vattenfall legte dazu den erforderlichen Sicherheitsbericht vor - quasi den To-Do-Fahrplan.
Darin ist ausdrücklich nicht vorgesehen, die Methode des sogenannten sicheren Einschlusses zu verfolgen. Damit ist gemeint, den Reaktor zu warten und wichtige Systeme im Standby-Modus zu belassen. Für die Rückbauentscheidung, wie Vattenfall sie auch für Brunsbüttel getroffen hat, lobte Schleswig-Holsteins Energieminister Robert Habeck (Grüne) den Betreiber.
Trotzdem steht der Abbau- und Abrissprozess erst am Anfang. Noch befinden sich 1002 Brennelemente im AKW. 990 davon sind bestrahlt und müssen zwischengelagert werden. Das wird wohl auf dem Reaktorgelände passieren. Dafür werden laut Vattenfall 21 Castorbehälter benötigt, die bereits vor Ort beziehungsweise angefordert seien. Zwölf unbestrahlte Brennelemente sollen an noch laufende AKW verbracht werden. Abrissschritte beim Reaktordruckbehälter oder dem Lagerbecken der Brennstäbe sollen erst erfolgen, wenn das AKW brennelementefrei ist. Das sei die Vorgabe der Atomaufsicht, so Habeck.
Der Fahrplan des Rückbaus ist mit vielen Unwägbarkeiten gespickt: Ende Juni sollen Behörden, Umweltverbände und Bürgerinitiativen ins Abwicklungsverfahren einbezogen werden, um eine vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung vorzubereiten, die im nächsten Jahr in einen Erörterungstermin münden könnte. Mit einer Genehmigung ist laut Habeck nicht vor Ende 2018 zu rechnen. Dann werde es zehn bis 15 Jahre dauern, bis das AKW aus dem Atomrecht entlassen werden könne. Der Gebäudeabriss würde noch einmal drei Jahre dauern.
Vattenfall veranschlagt nach eigenen Angaben für den Rückbau 750 bis 900 Millionen Euro. Habeck warnte den Energiekonzern in diesem Zusammenhang, aus finanziellen Erwägungen womöglich auf Zeit zu spielen. Der zuständige Generalbevollmächtigte des Unternehmens, Pieter Wasmuth, entgegnete, selbstverständlich gelte die Devise »Sicherheit vor Schnelligkeit«.
Insgesamt fallen nach Berechnung von Vattenfall und Atomaufsicht rund 540 000 Tonnen Gesamtmasse an. Nur 1,5 Prozent davon sind demnach radioaktiv bedenklich und bedürfen einer atomrechtlichen Lagerung. Vieles könne im Abfallkreislauf recycelt werden. Große Schuttteile müssen aber deponiert werden. Laut Ministerium hat man dafür sieben geeignete Müllkippen im Land ausgeguckt. Bereits am Mittwoch soll es mit den Betreibern ein Informationsgespräch geben. Habeck will Vorbehalte und Ängste gegenüber den als unverdächtig deklarierten Abfällen aus dem AKW Krümmel beseitigen, weiß er doch, dass es auch in dieser Frage um die Akzeptanz der Bevölkerung geht.
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