Erneuerbar energetisiert

Portugal deckt einen immer größeren Anteil seines Strombedarfes über Wasser und Wind

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.
Portugal mausert sich zu einem der Vorreiter im Bereich nachhaltiger Energieversorgung: Viereinhalb Tage konnte das Land in diesem Jahr bereits komplett mit Ökostrom versorgt werden.

Das kleine Portugal beschreitet weiter seinen Weg, um das Land komplett mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Kürzlich gelang ein neuer Rekord: Über 107 Stunden wurde das kleine Land am westlichen Rand Europas komplett mit Ökostrom versorgt. Konkret mussten von 6:45 Uhr am 7. Mai bis um 17:45 Uhr am 11. Mai keine fossilen Energieträger verbrannt und klimaschädlichen Abgase in die Umwelt geblasen werden. Das gelang vor allem über Wasser- und Windenergie, wie der »Verband für erneuerbare Energien« (APREN) nach der Auswertung der Daten des Netzbetreibers Redes Energéticas Nacionais (REN) mitteilte.

Gelang es der Bundesrepublik, die sich gerne als Energiewendeland ausgibt, am Pfingstwochenende immerhin für eine Stunde sich fast komplett mit sauberem Strom zu versorgen, gelang das Portugal komplett auch an drei Wochentagen, an denen der Stromverbrauch üblicherweise deutlich höher ist. Niemand verschweigt, dass besondere Wetterverhältnisse mit starken Regenfällen und viel Wind für diesen Rekord gesorgt haben. Doch für den APREN-Präsidenten António Sá Costa war das dennoch nur ein Vorgeschmack darauf, »dass das in der nahen Zukunft eine Realität über 365 Tage im Jahr sein wird«.

Die REN-Daten zeigen eine gute Entwicklung in Portugal. Im gesamten April wurde Portugal schon zu mehr als 80 Prozent mit Ökostrom versorgt. Von Januar bis April waren es immerhin fast 75 Prozent - trotz kälterer Temperaturen. Das hat vor allem damit zu tun, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien rasant an Fahrt aufgenommen hat. Bis 2013 lieferten vor allem Wasserkraftwerke Ökostrom und deckten im Durchschnitt etwa ein Viertel des gesamten Energiebedarfs. Der starke Ausbau von Windkraft in den vergangenen Jahren hat aber dafür gesorgt, dass mit Windmühlen im Jahr 2015 nach Angaben des Netzbetreibers schon fast ein Viertel des Stroms erzeugt wurde. Während auch die Biomasse - Energie aus Holz, landwirtschaftlichen Abfallprodukten oder organischen Reststoffen - in Portugal mit fünf Prozent eine größere Rolle spielt, fristet die Solarenergie noch ein stiefmütterliches Dasein mit 1,5 Prozent des Energieanteils. Vor allem darauf zielt die Kritik von Umweltschützern ab, die davon sprechen, dass der Ausbau »ambitionierter« sein könnte.

Besonders in die Wasserkraft wird derzeit weiter kräftig investiert. Bis zum Jahr 2023 werden neue Kraftwerke in Nordportugal gebaut. Der große spanische Energieversorger Iberdrola, der sich derzeit gerade aus der Atomenergie verabschiedet, weil sie nach Angaben des Unternehmenschefs Ignacio Sánchez Galán »wirtschaftlich nicht tragbar« sei, hat gerade den Zuschlag für das größte Wasserkraftprojekt in Portugal bekommen. Gebaut werden sollen diverse Staustufen für eine Milliarde Euro. 3000 direkte und 10 000 indirekte Arbeitsplätze sollen entstehen. »Diese Infrastruktur zeigt unseren historischen Einsatz für saubere Energien«, erklärte Iberdrola.

Im Jahr 2021 sollen 880 Megawatt (MW) ans Netz gehen. Insgesamt sollen es 1158 MW werden. Dazu kommt ein Projekt des portugiesischen Energieversorgers Energías de Portugal (EDP), der schon im Laufe des Jahres 2016 weitere 270 MW aus Wasserkraft ans Netz bringen will.

Dass stark auf Wasserkraft gesetzt und die Diversifizierung etwas vernachlässigt wird, wird auch kritisch gesehen. In Dürrejahren wie 2015 lässt dies die Versorgung mit Ökostrom wegen schwach gefüllter Stauseen einbrechen. Im gesamten Jahr 2014 konnte sich Portugal schon mit 62 Prozent über Ökostrom versorgen, doch wegen mangelnder Wasserkraft waren es 2015 nur noch 48 Prozent. Geforscht wird in dem Land auch daran, zukünftig Strom aus Wellen und Meeresströmungen zu gewinnen. Die sind - anders als Wind und Sonne - sehr konstant. Damit will Portugal zeigen, dass das Ziel, gar nicht mehr auf fossile Energieträger angewiesen zu sein, keine Utopie ist.

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