Buskontrolle bei der Klassenfahrt
Die Polizei überprüfte auf der Autobahnraststätte Linumer Bruch das Profil der Reifen, die Bremsen sowie die Lenk- und Ruhezeiten
Die Schulkinder haben bereits ihre Plätze eingenommen. Busfahrer Hans Seemann setzt sich ans Lenkrad. Die Türen schließen, die Klassenfahrt geht weiter. Das Fahrzeug der Berliner Firma Seemann-Reisen ist technisch in Ordnung, der Fahrer ausgeruht. Die Polizei hat keinerlei Beanstandungen. Hans Seemann steuert den Reisebus auf die Autobahn 24 Richtung Hamburg.
Auf der Raststätte Linumer Bruch kontrolliert an diesem Tag die Sonderüberwachungsgruppe der brandenburgischen Verkehrspolizei zwischen 7 und 13 Uhr Reisebusse. Mit einer Taschenlampe gehen Beamten an die Räder, überprüfen beispielsweise die Bremsen und das Profil der Reifen. Wichtig ist aber auch die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten.
Nach viereinhalb Stunden Fahrt seien 45 Minuten Pause vorgeschrieben, erläutert Thomas Dobkowicz, Leiter der Überwachungsgruppe. Außerdem müsse jeder Busfahrer nach spätestens sechs Arbeitstagen wenigstens 45 Stunden Ruhe bekommen. Ob die Vorschriften eingehalten werden, lässt sich unkompliziert nachvollziehen. Denn in der Europäischen Union müssen alle Reisebusse spezielle Geräte an Bord haben, die für den Zeitraum der vergangenen 28 Tage die Lenk- und Ruhezeiten aufzeichnen. Die Beamten erstellen einen Ausdruck und gehen die Daten durch.
Das dauert ein wenig. Auch die Fahrgäste im Postbus nach Hamburg müssen sich deswegen eine Weile gedulden. Einer der Fahrgäste - selbst von Beruf Busfahrer - nutzt die Verzögerung, um eine Zigarette zu rauchen. Er ist unterwegs, um sich in Hamburg bei der Deutsche Post Mobility GmbH zu bewerben. Dass die Polizei genau hinsieht, findet er richtig. »Es geht ja um Menschenleben«, sagt er. »Meine Familie möchte auch, dass ich abends gesund nach Hause komme.« Als Kraftfahrer hat der Mann schon viel erlebt: Firmenchefs, die ihre Mitarbeiter rücksichtslos anweisen, ohne Pausen durchzufahren, und die ein extra Portemonnaie zum Bezahlen der Bußgelder mitgeben. Termindruck und drohende Vertragsstrafen bei Verspätungen verleiten Fuhrunternehmer zu diesem riskanten Vorgehen.
Etwa einmal im Monat komme es in Brandenburg vor, so berichtet Dobkowicz, dass übermüdete Fahrer sich wegen ihrer unnachgiebigen Chefs bei der Polizei melden und darum bitten, aus dem Verkehr gezogen zu werden, damit sie endlich schlafen können.
In Deutschland wird nicht bar kassiert. Die Bußgeldbescheide kommen mit der Post, die Beträge müssen überwiesen werden. Je nach Schwere des Vergehens sind zwischen 60 und mehr als 1000 Euro zu zahlen.
Mit einer Aktionswoche bemüht sich das Polizeipräsidium um mehr Sicherheit im gewerblichen Personen- und Güterverkehr. Nach den Bussen sind an diesem Dienstag Gefahrguttransporte dran. Am Mittwoch geht es um die Sicherung der Ladung, am Donnerstag um die Einhaltung des Sicherheitsabstandes, die Beachtung des Überholverbots, die Gurtpflicht und das unzulässige Telefonieren ohne Freisprechanlage.
Im vergangenen Jahr starben 51 Menschen im brandenburgischen Straßenverkehr, in 35 Fällen waren Lastwagenfahrer die Unfallverursacher. 25 158 Laster sind im Jahr 2015 von der Polizei kontrolliert worden. Bei 41,5 Prozent der Fahrzeuge gab es Beanstandungen, meistens wegen der Lenk- und Ruhezeiten.
Nachdem die Polizei einen Reisebus aus der Slowakei abgefertigt hat, rollt eine Klassenfahrt aus dem Landkreis Elbe-Elster in die Kontrollzone auf der Raststätte. Der Bus hat kein modernes digitales Aufzeichnungsgerät. Die Lenkzeiten sind auf altmodischen Pappscheiben vermerkt. »Das kann dauern«, schätzt ein Beamter. Die Jugendlichen strömen derweil ins Schnellrestaurant.
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