Rot-Rot verliert die Mehrheit

Erstmals seit 1994 könnten SPD und LINKE nicht mehr allein die Regierung bilden

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap sieht die AfD in Brandenburg aktuell bei 20 Prozent, die LINKE nur bei 17 Prozent.

Erstmals seit 1994 kommen SPD und LINKE in Brandenburg zusammen nicht mehr auf eine Mehrheit, die für eine Regierungsbildung ausreicht. Das ergab die jüngste Umfrage im Auftrag von rbb-Fernsehen und »Märkische Oderzeitung«. Im Zeitraum 19. bis 23. Mai hatte das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap 1002 Einwohner angerufen.

Dabei kam heraus: Wäre jetzt Landtagswahl, dann würde die SPD 29 Prozent der Stimmen erhalten, die CDU 23, die AfD 20, die LINKE 17 die Grünen 6, Sonstige 5. Bereits im März hatte eine Forsa-Umfrage erstmals die AfD vor der Linkspartei gesehen. Damals wurden für die LINKE sogar nur 16 Prozent gemessen. Neu an den Werten von infratest dimap ist, dass Rot-Rot nun keine Mehrheit mehr hat, weil auch die SPD an Zuspruch verliert. Im März blieben die beiden Parteien zwar zusammengerechnet auch schon unter 50 Prozent der Stimmen. Doch das Scheitern kleiner Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde hätte zu diesem Zeitpunkt noch dazu geführt, dass SPD und LINKE zusammen 45 von 88 Landtagsmandaten erkämpft hätten. Rot-Rot hätten also noch eine hauchdünne parlamentarische Mehrheit bekommen. Damit ist es nun vorbei.

Die infratest-Umfrage ergab allerdings, dass immer noch 54 Prozent der Befragten mit der Arbeit der rot-roten Landesregierung zufrieden sind. Bei den SPD-Anhängern sind es 77 Prozent, LINKE-Anhänger 58 Prozent, CDU-Anhänger 56, Grüne-Anhänger 62, AfD-Anhänger 21 Prozent. Mit ihrem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) sind 63 Prozent zufrieden. Zum Vergleich: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) kommt nur auf 48 Prozent. Brandenburgs AfD-Fraktionschef Alexander Gauland bleibt mit einem Zufriedenheitswert von 14 Prozent hinter dem Umfragewert seiner Partei zurück.

»Auch wenn wir schon schönere Momentaufnahmen hatten, bleibt die SPD mit großem Abstand stärkste Kraft im Land«, tröstet sich SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz. »Bürgerinnen und Bürger honorieren, dass wir unsere Versprechen einhalten und notwendige Veränderungen anpacken.« Dass die Wähler wirklich so denken, zeige sich an den hohen Zustimmungswerten des Ministerpräsidenten Woidke und daran, dass auch Anhänger der CDU und der Grünen mit der Regierung zufrieden sind, argumentiert Geywitz.

CDU-Generalsekretär Steeven Bretz kontert: »Auch wenn Umfragen stets Momentaufnahmen mit bedingter Aussagekraft sind, bleibt festzuhalten, dass SPD und LINKE ihre Regierungsmehrheit verloren haben. Der bemerkenswerte Abwärtstrend der Brandenburger SPD setzt sich fort und lässt die Partei auf ein Zehnjahrestief fallen. Das ist eine herbe Klatsche für Ministerpräsident Woidke und seine Mannschaft. Die Bürger spüren, dass SPD und LINKE kein gemeinsames Zukunftsprojekt haben und stattdessen versuchen, sich mit trostloser Politik durch die Legislaturperiode zu wurschteln.«

Indessen jubeln die Anhänger der AfD einerseits, andererseits sind sie aber noch lange nicht zufrieden, wünschen sich noch viel mehr Prozente für die AfD und noch viel weniger für SPD, LINKE und Grüne. In diesem Zusammenhang taucht vereinzelt auch die Anschuldigung auf, es könne gar nicht sein, dass noch so viele Menschen die SPD oder die LINKE ankreuzen möchten. Die Umfrage müsse manipuliert sein.

»Erschreckend« nennt SPD-Generalsekretärin Geywitz das Ergebnis der AfD, dass aus dem Hass auf alles Fremde resultiere. Aber auch hier vermag sie sich zu trösten. Sie sagt: »Ich bin stolz, dass eine deutliche Mehrheit der Brandenburger bereit ist, mehr Flüchtlinge bei uns aufzunehmen.«

In Berlin gibt es anders als in Brandenburg praktisch keine freien Wohnungen mehr. Deshalb hat sich Brandenburg bereit erklärt, 1000 Flüchtlinge unterzubringen, für die eigentlich das Land Berlin zuständig wäre. 44 Prozent der Brandenburger halten diesen Entschluss für angemessen, weitere 23 Prozent sind sogar der Ansicht, es könnten noch mehr Flüchtlinge sein. Nur 20 Prozent finden, es müssten weniger sein, und lediglich sechs Prozent denken, Brandenburg sollte Berlin gar keine Flüchtlinge abnehmen.

Zwar glauben 71 Prozent der AfD-Anhänger, dass Politik und Verwaltung die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge nicht im Griff haben. Insgesamt denken dies aber jetzt nur noch 44 Prozent der Bürger. Im November 2015 hatten das noch 60 Prozent der Brandenburger geäußert.

»Es zeigt sich einmal mehr, dass die gesellschaftliche Auseinandersetzung darauf hinausläuft, wie wir leben wollen - in einer offenen und solidarischen Gesellschaft, oder in einer voller Hass und Angst vor vermeintlich Fremdem«, kommentiert LINKE-Landeschef Christian Görke. »Die Menschen sehen die zunehmende Ungerechtigkeit, immer mehr Menschen spüren sie auch am eigenen Leib. Der jahrelange Abbau sozialer Errungenschaften durch die Bundespolitik hat zu sozialen Verwerfungen, Ängsten und Verunsicherung in weiten Teilen der Gesellschaft geführt.« Die wichtigste Aufgabe sei, den Sozialabbau zu stoppen. Die LINKE nehme die Stimmung ernst, versichert Görke. Die Partei werde »alle Kraft in die Verbesserung der Lebenssituation investieren«. Der Ungerechtigkeit könne man nur mit linker Politik begegnen, »nicht mit Parolen und Hetze gegen Schwächere«.

Bei der Landtagswahl 2014 hatte die SPD 31,9 Prozent erzielt, CDU 23, LINKE 18,6, AfD 12,2, Grüne 6,2. Zu Beginn der rot-roten Koalition in Brandenburg lag die LINKE im Jahre 2009 bei 27,2 Prozent. Seite 4

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