Glaubensboote
PERSONALIE
Nicht aus der Ägäis, sondern von Malta stammt das Flüchtlingsboot, das dort gekauft, nach Köln gebracht und nun vor dem Dom als Alter benutzt wurde. Doch knüpft die spektakuläre Aktion des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki direkt an den Lesbos-Besuch des Papstes im April an.
Wie Franziskus, der Flüchtlinge von der Ägäisinsel mitnahm, setzt nun Woelki ein Zeichen: Das Wesen, das die Kirche beschwört, will nicht, dass »Flüchtlingspolitik« in Abschottungserfolgen gemessen wird. »Beginnt damit, die Hungrigen zu sättigen, dann verziert den Altar mit dem, was übrig bleibt«, zitierte er den Kirchenvater Johannes Chrysostomus. Ernst genommen ist das Kruzifix nicht Symbol einer krachledernen Tradition, die gegen Fremde zu verteidigen wäre - sondern eines Altruismus, der sich für andere sogar foltern lässt.
Den Umgang mit den Booten erhob Woelki vor Jahresfrist zu einer zentralen Glaubensfrage, als er die Glocken seines Bistums die bis dahin Umgekommenen nachzählen ließ. »Wer Menschen ertrinken lässt, lässt Gott ertrinken«, sagt er nun, da laut UNHCR weitere 3327 Menschen starben. Bemerkenswert ist dabei die politische Konkretion: Das Antiflüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei nennt der Erzbischof »infam«, den C-Parteichef Horst Seehofer »zynisch«.
Woelki erinnert auch sonst ein wenig an Franziskus, der ihn 2014 zum Erzbischof machte: Als der 1956 in Köln geborene Doktor der Theologie 2011 als Kölner Weihbischof das Berliner Bistum übernahm, zog er bewusst in eine arme Gegend. Schon damals engagierte er sich für Flüchtlinge - und berief zahlreiche Frauen in leitende Funktionen. Andererseits ist der einstige Verbindungsstudent theologisch ein Konservativer, der in Berlin mit einer Bemerkung zur »Schöpfungswidrigkeit« von Homosexualität einen satten Skandal ablieferte.
Wenn also einer wie er jetzt so spektakulär politisiert, ist das kein Ausdruck einer womöglich für manche kritikwürdigen Verweltlichung von Kirche, sondern ganz im Gegenteil einer tiefen spirituellen Haltung.
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