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Lernen auf der Baustelle

Eltern und Schüler kritisieren den geplanten Modularen Ergänzungsbau der Zille-Schule

  • Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz eines Modularen Ergänzungsbaus (MEB) muss sich die Zille-Grundschule in Friedrichshain auf jahrelange Nachbesserungen einstellen. Schüler und Eltern kritisieren die Umsetzung.

Die Bagger kamen am 12. April. Sie fällten Bäume, zerstörten einen blauen Tonwal und auch das Labyrinth. »Da haben schon die ersten geweint«, sagt Thomas Breddermann, Mitglied im Vorstand des Bezirkselternausschusses Friedrichshain-Kreuzberg. Sein Sohn geht in die erste Klasse der Grundschule in der Boxhagener Straße, seitdem beschäftigt sich Breddermann mit dem Bau, den er »ein Denkmal des Scheiterns der Berliner Schulpolitik« nennt.

Elternvertreter und Schüler äußern massive Kritik an der Umsetzung des Bauvorhabens. Die vielleicht größte: Sie hätten kein Mitspracherecht gehabt. »Es wurde getrickst«, sagt Breddermann. Die Pläne seien kurz vor den Sommerferien vorgestellt worden, viele Eltern seien da nicht mehr zu mobilisieren gewesen. »Die waren alle mental schon in den Ferien«, sagt auch Petra Konschak, Elternvertreterin in der fünften Klasse. Das war im Juli 2015.

Es ist also Beschluss: Der MEB soll gebaut werden, aus dem dreizügigen Jahrgang mit bisher 400 Kindern soll ein mehr als vierzügiger werden, von 600 Kindern ist die Rede. Nach den Sommerferien finden sich dann doch einige Eltern zusammen, gründen eine Aktionsgruppe: malen Plakate, drucken Flyer. Konschak beginnt einen Blog zur Dokumentation ihres Protests und zum Fortschritt des Baus.

Dann kommt der Oktober 2015. Der Bezirk hatte ein Architekturbüro beauftragt, eine »Machbarkeitsstudie« anzufertigen. Die Architekten rechnen mit Zahlen vom Bezirksamt, das für 2020 auf einmal einen Bedarf von 874 Schüler angibt. Das Ergebnis der Gutachter: nicht nur gibt es zu wenig Platz für die schon vorhandenen Schüler, der MEB wird diesen Mangel sogar noch verschärfen. Konkret fehlten Betreuungsräume und eine Bibliothek, die Turnhalle ist viel zu klein. Die Außenfläche sei zwar ungewöhnlich groß - wenn ein MEB darauf steht, werde aber auch diese zu klein sein. Die Gutachter empfehlen dem Schulamt, in der Umgebung nach weiteren Flächen zu schauen - für eine Sporthalle, für einen Neubau. Die andere Möglichkeit sei nur die »Senkung der pädagogischen Standards«. Breddermann fühlt sich bestätigt: »Es geht nicht darum, was für die Zukunft der Kinder am Besten ist.«

Doch Proteste und Gutachten können es nicht verhindern, die Bagger kommen und mit ihnen der Lärm. Für Konschaks Tochter ist das ganz normal: »Seitdem meine Tochter da ist, ist Baustelle«. Denn vor dem Beschluss zum MEB hatte die Schule in fünf Jahren Bauzeit das Hauptgebäude erweitert.

In der aktuellen Schülerzeitung schreibt ein Kind: »Wenn man uns in unserer Schule lassen würde, könnten wir ganz neue Ideen schmieden. Doch bis dahin wird wahrscheinlich noch eine Menge Zeit vergehen. Solange werden wir den Baggern zusehen und den Baulärm ertragen.«

Es ist der 10. Mai. Auf einer Sitzung des Bezirkselternausschusses reden Vertreter vom Schulamt. Einem Protokoll zufolge sagen sie, dass die »Nachbereitung des Baus« und die »Erweiterung der Schülerzahlen« zu noch höheren Ausgaben führen werden. Vor allem der Aus- oder Neubau der Turnhalle werde weitere fünf Millionen Euro kosten. Diese Summe bedeute: Neue Bedarfsanmeldung, Investitionsanträge, Machbarkeitsstudie. Das ist allerdings nur alle zwei Jahre möglich, 2017. Thomas Breddermann befürchtet »eine komplette Schülergeneration, die Schule als Baustelle erlebt«. Auch das Stadtplanungsamt und die bezirklichen Schulbehörden, so heißt es im Protokoll, seien mit den MEB nicht zufrieden.

Die Kritik der Eltern ist auch struktureller Natur: Sie fordern mehr Schulneubau. Besonders ironisch findet Breddermann, dass die Stadt weiterhin Grundstücke veräußere. Das Freudenberg-Areal sei »die letzte freie Fläche, wo man noch Schulen bauen könnte«. Sein Vorschlag: »Jedes Neubauprojekt müsste sich daran beteiligen, dass Schulen gebaut werden.«

Die Kinder der Zille-Grundschule jedenfalls werden den Baulärm noch über Jahre ertragen müssen.

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