Der Schleier ist gelüftet

Die Ausstellung »Die Maya - Sprache der Schönheit« im Martin-Gropius-Bau

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die von Urwald überwucherten Ruinenstädte der Maya in Mexiko auf der Halbinsel Yucatán haben unsere Fantasie von jeher beflügelt und zu abenteuerlichen Spekulationen über die Natur und Herkunft ihrer Erbauer angeregt. Die Maya waren Träger einer hoch entwickelten Kultur, deren Blütezeit um 300 n. Chr. begann und die mit der spanischen Eroberung im 16. Jahrhundert ihr Ende fand. Während dieses Zeitraums fand eine räumliche Verschiebung der Kulturblüte von Süden nach Norden statt. Waren es Kriege, Überbevölkerung, Natur- oder Umweltkatastrophen, die zur Aufgabe ganzer Zentren im Süden gezwungen haben? Kunst und Architektur der Maya stellen einen Höhepunkt unter den altamerikanischen Kulturen dar.

Die Ergebnisse einer in den letzten Jahrzehnten geleisteten interdisziplinären Forschungsarbeit präsentiert jetzt die erste große Maya-Ausstellung in Berlin, die zugleich die einzige in Europa sein wird. Sie umfasst 300 Objekte, viele erst in den letzten Dezennien ausgegraben, aus einer Periode von über 2000 Jahren, von der Prä- bis zur Spätklassik: polychrome Keramik, Statuetten, Stelen, Reliefs, Bildnisse, Schmuckgegenstände, Totenurnen, Jademasken und Architekturelemente.

Außer der vollplastischen Skulptur waren die Maya Meister im Flachrelief, wozu besonders feinkörniger hellgelber Kalkstein das geeignete Material bot. In solchen Skulpturen haben sie perspektivische Verkürzungen in szenischen Darstellungen realistisch wiedergegeben. Bei dem in kniender Haltung gezeigten Gefangenen aus der Ausgrabungsstätte Toniná (Spätklassik, 600-900 n. Chr., Kalkstein) handelt es sich wohl um eine hochrangige Persönlichkeit. Seine Arme sind hinter dem Rücken zusammengebunden, das Gesicht ist verstümmelt, ihm wurde der Jadeohrschmuck abgerissen, und doch wirkt er stoisch gelassen.

Obwohl eine Vielfalt von Szenen auf Maya-Gefäßen abgebildet wurde, die von mythologischen und religiösen bis zu weltlichen Themen reichen, hebt oft ein spezielles Detail ein bestimmtes Stück in seiner Einzigartigkeit hervor. Ein Teller, Keramikbeigabe aus dem Norden von Yucatán, zeigt den mythischen Vogel Muwaan (Spätklassik, Ton), er wird mit Krankheit und Tod sowie mit der Unterwelt in Verbindung gebracht. Itzam Yeh war der oberste Vogelgott, der die himmlische Ebene des Universums symbolisiert und auf dem Weltenbaum lebt. K’uk’ulkan, die berühmte gefiederte Schlange (architektonisches Element, Chiché Itzá, Endklassik/frühe Postklassik, 900-1250 n. Chr., Stein), ist mit dem Planeten Venus, dem Wind, dem Regen, aber auch dem Krieg verbunden.

Ein Weihrauchgefäß aus Mayapán (Postklassik, 1250-1527 n. Chr., Ton) stellt einen Brüllaffen-Menschen dar, reich geschmückt mit einem Kopfputz aus Lilien und einer Schlange auf dem Unterarm; in den Händen hält er einen Pinsel und ein Tintenfass. Für die Maya war der Affe der Schutzpatron der Künste, er sollte den Menschen die göttlichen Absichten mit Hilfe der Schrift vermitteln. Deshalb wird diese Skulptur als Schriftgelehrter der Götter bezeichnet.

Der wichtigste Gott der Maya, Itzamnaaj, ist ein Erschaffergott, deshalb wird er einmal auf dem Rücken einer Schildkröte, dann wieder dem Maul eines Krokodils entsteigend vorgeführt (beide Tiere stehen für die Erdoberfläche). Ein weiteres Gefäß zeigt Chaak, den Herrscher über Regen, Blitz und Krieg, in der charakteristischen Maya-Farbe Blau, mit großer Nase, langen Eckzähnen und mit um die Augen gewundenen Schlangen. Auf einer anderen Skulptur, einem Weihrauchgefäß aus Comitán (Spätklassik, Ton) ist die Verwandlung eines Herrschers in einen Gott, den Herren der unterirdischen Welt, abgebildet. Eine Maske aus Jade aus Calakmul, so wie sie als Grabbeigabe Herrschern auf ihre lange Reise in die Unterwelt mitgegeben wurde, zeigt das vergöttlichte Antlitz des Verstorbenen. Solche Schicksalsdoppelgänger, gottähnliche Wesen oder Geister, in die sich der Tote verwandelte, gingen aus dem Glauben der Maya hervor, dass Traumbilder ihnen die Jenseitswelt vorführen.

Noch längst nicht alles ist über die Geschichte und Kultur der Maya vor der Conquista entschlüsselt worden, aber diese Ausstellung vermittelt doch einen erstaunlichen bildhaften Einblick in den Kosmos der antiken Maya-Welt.

Maya - Sprache der Schönheit. Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstr. 7, Kreuzberg, Mi-Mo 10-19 Uhr, bis 7. August. Museumsausgabe des Kataloges (Prestel Verlag) 29 Euro.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!