Feuerwerk und Rohrkrepierer

Oppositionsfraktionen in Sachsen-Anhalt starten höchst unterschiedlich in die Legislatur

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Landtag von Sachsen-Anhalt geht die Arbeit los - auch für die Opposition. Doch während die LINKE ein Feuerwerk an Anträgen abbrennt, hat die AfD den Start verschlafen.

André Schröder druckt kein Geld. Der Finanzminister Sachsen-Anhalts hat auch keinen Einfluss darauf, welche Banknoten in Deutschland zirkulieren oder nicht. Die Frage, ob sich jenseits der Abschaffung der 500-Euro-Scheine beim Bargeld etwas ändert, ist nicht Sache der Länder.

Dennoch wendet sich der erste Antrag, den die AfD im Landtag stellt, ausgerechnet gegen »Einschränkungen beim Bargeldverkehr«: Die Landesregierung solle sich im Bundesrat gegen etwaige derartige Bestrebungen einsetzen. Es ist nicht gerade ein landespolitischer Paukenschlag, mit dem die neue stärkste Oppositionsfraktion in die Legislatur startet. Es ist zudem keine eigene Idee: Unter der Drucksachennummer 6 / 1849 wurde ein wortgleicher Antrag schon im März von der AfD in den Landtag in Thüringen eingebracht. Viel mehr hat die 25-köpfige Truppe aber nicht zu bieten. Daneben beantragt sie nur noch, Sachsen-Anhalt möge im Bundesrat dem Asylpaket II zustimmen.

Das Parlament in Magdeburg wurde bei der Landtagswahl im März gehörig durcheinander gewirbelt. Wenn dieser Tage nach Konstituierung und Wahl des Regierungschefs nun die inhaltliche Arbeit startet, wird nicht nur genau geschaut, wie sich die neue Koalition aus CDU, SPD und Grünen zusammenrauft. Genau beobachtet wird auch die Opposition: eine LINKE-Fraktion, die auf 16 Mitglieder geschrumpft ist und sich damit abfinden muss, nicht mehr stärkster Gegenpart des Regierungsbündnisses zu sein, und eine AfD, die zum Oppositionsführer wurde und eigentlich vor Kraft kaum laufen können müsste.

Der Auftakt könnte freilich unterschiedlicher nicht sein. Die LINKE brennt ein wahres Feuerwerk an politischen Initiativen ab. Von 20 Punkten, die bis Freitag auf der Tagesordnung stehen, gehen zwölf ganz oder teilweise auf ihr Konto: Anträge zu Schienenverkehr, zu Theatern und Lehrermangel; Gesetzesvorlagen zur Entlastung von Eltern bei den Kosten für die Kinderbetreuung und zur Hilfe für Grundstückseigentümer, die für Abwasseranschlüsse nachträglich zur Kasse gebeten werden sollen. Dazu kommt eine aktuelle Debatte über die Schließung des Backwarenherstellers Fricopan in der Altmark. Von Regierung und Koalition wird es sieben inhaltliche Anträge geben, darunter eine Regierungserklärung von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).

Ein wenig zehren die Genossen von Vorarbeit aus der vergangenen Wahlperiode, räumt Fraktionschef Swen Knöchel ein: Zu Kinderbetreuung und Abwasser etwa gab es schon im Frühjahr Vorstöße. Zehren kann man auch davon, dass es einen fähigen Stab von 20 Mitarbeitern gibt - noch. Wegen der Verkleinerung der Fraktion wird die Zahl im Juli auf 15 zurückgehen. Die hohe Schlagzahl freilich soll auch dann beibehalten werden. »Wir waren schon immer für unsere rege Arbeit im Landtag bekannt«, sagt Knöchel und fügt an, man wolle »die Themen, die die Leute im Land bewegen, aufgreifen«. Dass der Eifer auch dadurch motiviert sein könnte, der AfD bei wichtigen Themen zuvor zu kommen - diese Vermutung bestätigt Knöchel nicht, auch wenn er betont: »Wir legen Wert darauf, dass linke Themen von links besetzt werden.«

Von einem politischen Wettlauf ist bislang ohnehin nichts zu spüren. Die AfD erweist sich zumindest bisher als politischer »Rohrkrepierer« - und begründet das mit fehlenden Arbeitsmöglichkeiten: erst seien Räume im Landtag nicht frei gewesen, nun fehle es an Computern und Technik. Das Schwarzer-Peter-Spiel zieht indes nur bedingt: Dass die Fraktion - wie die »Volksstimme« berichtete - erst vier Mitarbeiter eingestellt hat, ist hausgemacht. Fraktionschef André Poggenburg sagt, man sei bisher nicht dazu gekommen, Bewerbungen zu sichten. Bei zwei zentralen Posten tut man sich ungewohnt schwer: Ein Pressesprecher ist bislang ebenso wenig gefunden wie ein Geschäftsführer der Fraktion. Den einflussreichen Job im »Maschinenraum« erledigt vorübergehend Landesvize Ronny Kumpf.

David Begrich vom Verein »Miteinander« ist von den Anlaufschwierigkeiten freilich nicht überrascht; ein halbes Jahr werde es dauern, bis die Fraktion funktioniere, sagt er. Ob die AfD sich danach auf Schaufensterreden beschränkt oder ihrerseits ein Feuerwerk politischer Initiativen abbrennt, bleibt abzuwarten. Zunächst mogelt man sich mit gebrauchten Anträgen aus Thüringen durch.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -