Selbstjustiz mit CDU-Beteiligung
Angebliche Bürgerwehr in Arnsdorf misshandelt psychisch kranken Asylbewerber
Ein Fall von Selbstjustiz in Sachsen sorgt bundesweit für Empörung. Vier Mitglieder einer angeblichen »Bürgerwehr« haben in Arnsdorf einen 21 Jahre alten, psychisch kranken Asylbewerber in einem Discountermarkt geschlagen und ihn später mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt. Der Vorfall, der sich bereits am 21. Mai ereignete, ist in einem Video zu sehen, das im Internet kursiert und in asylfeindlichen Kreisen begeistert kommentiert wird. Einer der Beteiligten sitzt für die CDU im Gemeinderat des Ortes bei Dresden.
Die LINKE verurteilt den Vorfall: es sei »jegliche zivilisatorische Grenze verletzt« worden. Was sich in Sachsen »Bürgerwehr« nenne, bezeichne man jenseits des Freistaats als »Mob«. Valentin Lippmann, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, sagte, die CDU müsse »beim Verständnis rechtsstaatlichen Handelns dringend vor der eigenen Haustür kehren«. Auch Juso-Landeschefin Katharina Schenk forderte die CDU auf, ihr »Verhältnis zum Rechtsstaat« zu klären.
Der Vorfall beschäftigt jetzt eine Ermittlungsgruppe der Polizei. Sie führe »die Ermittlungen mit Hochdruck«, sagte Conny Stiehl, Präsident der zuständigen Polizeidirektion Görlitz. In einer Erklärung betonte er, man untersuche »auch das Handeln der vor Ort eingesetzten Streife«. Sie soll, von der angeblichen Bürgerwehr gerufen, zwar deren Mitglieder des Platzes verwiesen haben, aber ohne ihre Identität festzustellen. Der grüne Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin kommentierte deshalb im sozialen Netzwerk Twitter: »Sächsische Polizei deckt Selbstjustiz«. Inzwischen ist laut Stiel die Identität von drei Männern ermittelt. Sie seien 29, 49 und 54 Jahre alt und bisher polizeilich nicht in Erscheinung getreten. Der Polizeichef wies zugleich die Behauptung der Angreifer zurück, man habe einen Diebstahl unterbinden wollen. »Ein Ladendiebstahl hat sich nicht ereignet«, sagte er.
Arnsdorf ist nicht der einzige Ort in Sachsen, in dem Bürgerwehren auf Streife gehen; deren Zahl habe landesweit »stark zugenommen«, hatte der Verfassungsschutz zu Jahresbeginn erklärt und vor einer Unterwanderung durch Rechtsextreme gewarnt. Die Polizeigewerkschaft GdP hatte auf ein schwindendes Sicherheitsgefühl angesichts von Kürzungen bei der Polizei verwiesen. Die Jusos betonen aber, das Etikett werde als »Deckmantel gebraucht, um gewalttätiges Handeln als Zivilcourage zu verkaufen«. Innenministerium und Polizeiführung müssten klarstellen, dass es sich nicht um Helfer, sondern oft um »gewalttätige Kriminelle« handle.
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