SPÖ-Kanzler bringt »Maschinensteuer« ins Spiel
Christian Kern hält auch Arbeitszeitverkürzung für sinnvoll / Konservativer Koalitionspartner in Österreich empört
Berlin. Österreichs Politik streitet über einen Vorstoß des neuen sozialdemokratischen Bundeskanzlers. Der SPÖ-Politiker Christian Kern plädiert für eine »Maschinensteuer«. Hintergrund ist, dass die gegenwärtige Finanzierung von Gemeinwesen vor allem auf der Besteuerung von menschlicher Arbeit und Konsum beruht, zugleich aber eine schnell voranschreitende Automatisierung der Produktion die Ökonomie kennzeichnet. Angesichts der Automatisierung in vielen Bereichen des Arbeitslebens und des Verlusts vieler Stellen müsse die Frage aufgeworfen werden, ob die Sozialsysteme weiter allein durch Lohnarbeit finanziert werden können, so Kern. Es gehe darum, »Wertschöpfungskomponenten eines Unternehmens« einzubeziehen, so der »Kurier«, also etwa Gewinne, Zinsen, Mieten und Pachten sowie Abschreibungen. In Deutschland ist der Begriff Wertschöpfungsabgabe gebräuchlicher. Seine Überlegungen hatte er am vergangenen Wochenende erstmals beim SPÖ-Landesparteitag in Kärnten öffentlich gemacht. Die Idee wird immer einmal wieder schon seit einigen Jahren diskutiert.
Der konservative Koalitionspartner in Wien ist nun schier empört. »Man schafft Arbeitsplätze bekanntlich durch Investieren und nicht durch Provozieren«, wehrte ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling am Dienstag vor der wöchentlichen Ministerrunde beim Kanzler die Idee ab. Als »total falsches Signal« wies auch ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner den Vorstoß Kerns zurück. Öffentliche Diskussionen über neue Steuern würden dem Standort nachhaltig schaden, so das Argument.
Auch viele Zeitungen reagierten zunächst skeptisch. »Ein alter Hut als neuer Hit«, titelte die »Presse« über den Vorschlag, den auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer unterstützt. Die Idee sei schon in den 1980er Jahren debattiert worden. »Kurzfristig wäre durch die Senkung der Lohnnebenkosten tatsächlich zu erwarten, dass die Nachfrage nach der nun billigeren Arbeit steigt und zusätzliche Jobs entstehen. Doch zugleich sinken die Anreize für die Industrie, in Maschinen und damit in den technischen Fortschritt zu investieren«, so das Blatt.
Kern, der vor dem Hintergrund der Automatisierung und Digitalisierung auch eine Verkürzung der Arbeitszeit ins Spiel gebracht hatte, verteidigte indes seine Überlegungen. Von einer »Maschinensteuer« wären Branchen betroffen, die stark auf Automatisierung statt auf Personal setzen. Personalintensive Branchen könnten dagegen steuerlich entlastet werden. Schon 2012 hatte der Sprecher des Chaos Computer Clubs, Frank Rieger, einen schrittweisen, aber grundlegenden »Umbau der Sozial- und Steuersysteme hin zur indirekten Besteuerung von nichtmenschlicher Arbeit und damit zu einer Vergesellschaftung der Automatisierungsdividende« vorgeschlagen. Ungelöst ist die Frage, wie man internationale Technologie-Konzerne zur Kasse bitten könnte.
Das Problem ist auch in Deutschland bekannt. Dort hatte Telekom-Vorstandschef Timotheus Höttges Anfang des Jahres gefordert, zur Finanzierung der öffentlichen Hand die Gewinne großer Internetkonzerne stärker zu belasten. »Wenn Produktivität zukünftig vor allem an Maschinen und die Auswertung von Daten gekoppelt ist, könnte die Besteuerung stärker auf den darauf beruhenden Gewinnen aufbauen und weniger auf der Einkommensteuer des Einzelnen«, so Höttges damals – er hatte einer Besteuerung der Maschinen allerdings eine Absage erteilt: Diese würden Produktivitätssteigerungen garantieren, weshalb eine Belastung dazu führen könnte, »dass vielleicht weniger Maschinen genutzt würden, als technisch sinnvoll wäre«. Aber auch Höttges hatte erklärt, »die Besteuerung großer Internetkonzerne fällt uns heute schon schwer, weil die ihre Plattformen irgendwo auf der Welt errichten«. Agenturen/nd
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