Lollapalooza soll gekippt werden
Bürgerinitiativen schließen sich gegen geplantes Festival im Treptower Park zusammen
»Wir sind gegen das Festival im Treptower Park!« So lautet der oft genannte Konsens der Einwohnerversammlung am Dienstagabend. Entgegen der Erwartung ist es gerappelt voll in dem winzigen Figurentheater »Grashüpfer« mitten im Treptower Park. Dort, wo im September das umstrittene Lollapalooza Festival stattfinden soll. Kritisiert wurde unter anderem die Nähe des Festivals zum sowjetischen Ehrenmal sowie die noch nicht einmal abgeschlossenen Sanierungsarbeiten im Park, in die 13,5 Millionen Euro investiert worden sind.
»Auch 70 Jahre später kann man nicht auf 7500 Toten rumtanzen«, sagt das Mitglied der Bürgerinitiative Treptower Park, Ilona Rothin, die sich im Protest gegen das Lollapalooza engagiert. Es sei ein »politisches Unding«, dass auf dem Friedhof ein Popkonzert stattfinde. Nirgendwo sonst in der Bundesrepublik hält sie so etwas für möglich. Für den Protest haben sich unter anderem die Bürgerinitiativen Treptower Park, Pro-Plänterwald und Stralau gegen Lärm zusammengeschlossen.
Doch die Anwohner haben noch ganz andere Sorgen: Lärmbelästigung, betrunkene Feierwütige, Dreck und Zerstörung des schönen Parks. Die Tatsache, dass es sich um ein kommerzielles Festival handelt, ärgert die Betroffenen besonders. Über die 159 Euro teuren Tickets verfällt man in allgemeine Unmut und lässt sich zu wütenden Zwischenrufen hinreißen. »Es geht auch um die Zukunft des Treptower Parks, der nicht zur Partymeile verkommen darf«, sagt Sigrid Schubert vom Figurentheater »Grashüpfer«.
Die Wut der größtenteils älteren Anwohner bekommt auch der Sprecher der Jusos Treptow-Köpenick, Paul Bahlmann, zu spüren. Er hatte es gewagt, den Besorgten Paroli zu bieten: »Das Ehrenmal wird geschützt, alle Schäden repariert und die Säuberung vom Veranstalter bezahlt«, sagt er. Bahlmann findet, die Freiflächen in der Stadt sollten genutzt werden, auch für Festivals und »junge Kultur«. Doch er kämpft auf verlorenem Posten, die Festivalgegner widersprechen lautstark.
Vertreter der Politik sind bei der Versammlung ebenfalls anwesend. Dustin Hoffmann, Vorsitzender der CDU Treptow-Köpenick, fasst nach einer Stunde sich wiederholender Unmutsbekundungen zusammen: »Wir sind alle hier, um das Lollapalooza zu verhindern.« Auch die LINKE-Direktkandidatin des Wahlkreises, Katalin Gennburg, engagiert sich gegen das Festival: »Die Partykarawane zieht nach Treptow, Grünflächen stehen zur Disposition - damit ist eine Schmerzgrenze erreicht«, sagt sie. Mögliche Verhinderungstaktiken könnten ein Bürgerbegehren oder das Einschreiten einer Umweltschutzorganisation sein. Eventuell könne man dadurch das Verfahren so verzögern, dass das Festival nicht stattfinden kann.
Bisher gibt es für das Lollapalooza, trotz bereits verkaufter Tickets, noch keine Genehmigung, bestätigte das Bezirksamt Treptow-Köpenick dem »nd«. Wie zu hören ist, drückt sich das Bezirksamt um die Genehmigung, weil es hofft, dass der Senat die Genehmigung an sich zieht.
Auf Nachfrage erklärt die Senatskanzlei: »Die Genehmigung für das Festival liegt beim Bezirk Treptow-Köpenick«, sagt Daniela Augenstein, die Sprecherin des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD). Müllers Senatskanzlei hatte nach der Absage für das Tempelhofer Feld den Standort Treptower Park vermittelt.
Die Initiatoren des Widerstands haben unterdessen mit einer Onlinepetition bislang 5555 Unterschriften gesammelt. Zehn Botschafter ehemaliger Sowjetrepubliken hatten bereits im April in einem Brief an den Senat um Respekt für die Totenruhe an der Grabstätte gebeten.
Ilona Rothin ist zwar überzeugt, dass das Lollapalooza nicht mehr verhindert werden kann. Dennoch will sie ein Zeichen setzen. Mit einem Schulterschluss der Initiativen plant sie im Juli eine Kundgebung vor dem Ehrenmal, zudem will sie Flyer und Plakate drucken. Rothin und Gennburg haben darüber hinaus eine Arbeitsgruppe mit den Anwohnern gegründet, die sich dem Protest gegen das Festival widmet. »Mein Ziel ist es, das Lollapalooza zu verhindern«, sagt Gennburg. Das freut viele der Anwesenden: »Ich habe Zeit, bin agil und habe auch den Mut, anzuquatschen was hier an Politkern so kreucht und fläucht«, sagt eine der Aktivistinnen.
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