AfD unter Palmen
Deutsche in Thailand hetzen gegen Ausländer in Deutschland
Provokativ haben Ausländerfeinde auf Laternenmasten und Bushaltestellen rund um die Deutsche Botschaft in Bangkok Aufkleber gepappt, auf denen in roten Lettern auf mattweißem Grund prangt: Merkel muss weg. Auf einem anderen Aufkleber, in diesem Fall auf Hochglanz, fordert die AfD: Mut zu Deutschland. Was da gerade an Stammtischen in deutschen Kneipen in Bangkok und am sonnigen Strand von Pattaya, dem Epizentrum des Sextourismus in Thailand geschieht, vermutet man eigentlich nur in Deutschland anzutreffen: Ausländerfeindlichkeit pur. Doch Deutsche hetzen offenkundig nicht nur in Deutschland gegen Flüchtlinge, sondern auch im Ausland.
Im Deutschen Eck, eine von zwei deutschen Kneipen in der Soi 20 Sukhumvit Straße, sitzen drei ältere Deutsche auf Barhockern rund um einen Tisch in Form eines Bierfasses. Beim Bier sind sich die deutschen Ausländer in Thailand einig: Ausländer haben »bei uns nichts zu suchen«. Zur Begründung spulen die Herren sattsam bekannte Klischees ab und stören sich nicht im geringsten an den eigenen Widersprüchen. Ausländer nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg, lamentiert der eine, der andere weiß genau, dass Ausländer zu faul zum Arbeiten sind. Der dritte begeistert seine Kumpels mit der Forderung, »diese Ausländer« sollten sich gefälligst »unserer Religion anpassen«.
Das Flüchtlingsthema treibt auch viele Deutsche im Begegnungszentrum der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Pattaya um. Das sind Deutsche, die ihren Ruhestand in Pattaya verbringen. Manche leben ganzjährig in dem Ferienparadies, andere überwintern an den sonnigen Gestaden des Golfs von Siam in der Sonne. Die Rente reicht in Thailand länger und zigtausende junge Frauen und Männer aus den ärmeren Teilen Thailands verkaufen willig ihre Körper für sexuelle Dienstleistungen an die älteren, weißen Ausländer.
Vor einiger Zeit war Margot Käßmann zu Besuch. Wie schon zuvor in Neu Delhi, Dhaka und Bangkok war Käßmann als Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017 nach Pattaya gekommen. Die Fragen und Stellungnahmen aus dem Publikum nach ihrer kurzen Rede aber drehten sich um das Flüchtlingsthema und die Angst der christlichen Deutschen im buddhistischen Thailand vor Muslimen in Deutschland. Von einem »organisierten Ansturm der Irrgläubigen auf Europa« wird gesprochen, Fragen gestellt, die von purem Hass diktiert scheinen: »Wann beginnt der evangelische Widerstand?« »Wann gibt es endlich Spanferkel für Muslime, damit sie sich integrieren?«
Die da ihre Abneigung ausleben, lassen sich auch hier in Thailand ungeniert von ihren Gelüsten leiten. Nacht für Nacht greifen sie sich in schummerigen Go-Go-Bars für ein paar Euro hübsche Thailänderinnen, beim Bier über Ausländer in Deutschland zu hetzen, scheint ihnen keinen Widerspruch zu bieten. Das zeigt sich auch in ihrer Einstellung zu den Einheimischen. Respekt vor der Kultur, der Religion, den Traditionen ihres Gastlandes sind bei den deutschen Sextouristen oftmals sehr gering ausgeprägt. Und auch das ist aus vielen Unterhaltungen der Ausländer in den Bierbars herauszuhören: Verachtung für die Thais, die Gastgeber.
Die Spanferkelforderung kontert Käßmann lässig: »Diese Frage finde ich merkwürdig. Ich weiß ja nicht, welches Thaigericht sie essen müssen, um integriert zu sein.« Der Beifall für Käßmanns Eintreten für Flüchtlinge, für ein friedliches Miteinander der Religionen fällt - Gott sei Dank - leicht stärker aus als der für die Einlassungen der Anhänger von AfD und Pegida am thailändischen Strand. Käßmann ist über die Heftigkeit der Stimmung gegen Flüchtlinge und Muslime unter den deutschen Ausländern aber erstaunt. »Das hat mich etwas überrascht. Ich hätte gedacht, dass Menschen, die selbst im Ausland leben, eher Verständnis für Menschen haben, die als Fremde nach Deutschland kommen. Aber interessanterweise ist hier die Abwehr fast größer als in Deutschland selbst.«
»Mut zu Deutschland« fordert die AfD. Ob wegen kühlen Wetters oder höheren Lebenshaltungskosten - den deutschen AfD-Ausländern in Thailand fehlt dieser Mut leider.
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