Wenn Papa hinter Gittern sitzt

100 000 Kinder in Deutschland sind von der Inhaftierung eines Elternteils betroffen - zu 90 Prozent des Vaters

  • Jana Hofmann, Butzbach
  • Lesedauer: 3 Min.
Tausende Kinder sehen ihre Väter nur wenige Stunden im Monat, auch Umarmungen sind oft verboten: Söhnen und Töchtern von Strafgefangenen fehlt der Familienalltag. Initiativen wollen das ändern.

Einmal nahm ein fünfjähriger Junge Barbara Zöller an die Hand und ging mit ihr an das vergitterte Fenster. »Da draußen sind doch Polizisten«, flüsterte er der Pfarrerin zu. »Wir sind im Gefängnis, nur Mama weiß das noch nicht.«

Die Eltern des Jungen hatten ihm nicht gesagt, dass sein Vater im Gefängnis im hessischen Butzbach einsitzt. Verstanden hat er es aber trotzdem. »Die Eltern erzählen stattdessen: ›Der Papa arbeitet, der Papa ist auf Montage‹«, erzählt Zöller, die als Seelsorgerin Straftäter und ihre Angehörigen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Butzbach betreut. »Oft wollen die Mütter nicht, dass die Kinder es wissen, aus Angst, dass sie sich vor anderen verplappern.«

In Deutschland sind nach Schätzungen rund 100 000 Kinder von der Inhaftierung eines Elternteils betroffen. In 90 Prozent der Fälle ist es der Vater. Nach einer Studie der Uni Dresden bietet nur jedes dritte Gefängnis neben regulären Besuchszeiten zusätzliche Angebote für Kinder wie etwa Vater-Kind-Nachmittage an.

In der JVA Butzbach organisiert die evangelische Pfarrerin eine zusätzliche Besuchszeit neben den üblichen zwei Stunden im Monat. Beim Vater-Kind-Nachmittag treffen die Väter ihre Kinder für drei Stunden in einem gemütlichen Zimmer bei Kaffee, Tee und Kuchen, um mit ihnen zu spielen, basteln oder malen. Die Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Angehörigenarbeit der Evangelischen Konferenz für Gefängnisseelsorge in Deutschland bietet auch Paarwochenenden, Vätergesprächsgruppen und Besuche in den Familien an.

Jedes Bundesland regelt die Rahmenbedingungen für den Vollzug selbst. In Sachsen etwa dürfen die Gefangenen bis zu vier Stunden Besuch pro Monat empfangen, außerdem gibt es Ansprechpartner für die Angehörigen.

In der JVA Dresden gehört das zu Katrin Schaefers Job. Die Sozialpädagogin ist seit 19 Jahren im Vollzug tätig. In Dresden könnten die Gefangenen von jedem Haftbereich nach draußen telefonieren, allerdings mit wenig Privatsphäre und zu hohen Preisen. Anrufe empfangen sei nicht möglich: »Die Kinder können den Papa nicht anrufen und von einer guten Schulnote erzählen.«

In Dresden gibt es eine Wohngruppe mit 16 Vätern, die ihre Kinder häufiger sehen können, dafür aber auch gefordert werden: Sie müssten unter anderem einen Elternkurs absolvieren, berichtet Schaefer. Bei einer Familienfreizeit dürften die Gefangenen gemeinsam mit ihren Kindern sogar raus aus dem Gefängnis: »Im April waren wir im Zoo, im Herbst auf den Elbwiesen Drachensteigen.« Dazu komme die Möglichkeit, mit der Familie für ein Wochenende in ein Gruppenhaus zu fahren, für viele die erste Übernachtung ohne Gitter.

Busse, Drachen und Eintritte bezahlten die Gefangenen zwar selbst, aber für zusätzliche Materialien für die regelmäßigen Familiennachmittage fehle oft das Geld. »Die Justiz ist nur für die Väter und nicht für die Kinder verantwortlich«, sagt Schaefer. Kurzerhand gründete sie gemeinsam mit anderen Angestellten der Anstalt den Verein MitGefangen, um Spendengelder aufzutreiben.

Der Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe, Klaus Roggenthin, sagt: »Die Justizministerien der Länder stehen in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Gefängnisse die betroffenen Kinder und Familien nicht mitbestrafen, sondern mitversorgen.« In einigen Anstalten seien die Besuchsräume noch immer kleine, langgestreckte Zimmer mit Trennwänden zwischen Besuchern und Gefangenen. »Die Kinder können ihre Eltern noch nicht einmal anfassen«, beklagt Roggenthin. Dies verstößt nach Auffassung des Deutschen Instituts für Menschenrechte gegen die UN-Kinderrechtskonvention. epd/nd

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