Der Streik und die Solidarität

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Vorstände hiesiger Gewerkschaften tun sich mit der Unterstützung der Streiks in Frankreich noch schwer. An der Basis ist das anders.

Auch Monate nach dem Beginn der Protestwelle in Frankreich gegen Arbeitsmarktreformen und gewerkschaftsfeindliche Gesetze tun sich deutsche Gewerkschaftsvorstände immer noch schwer mit einer offiziellen Solidaritätserklärung an die Adresse der französischen Bruder- und Schwestergewerkschaften. Entsprechende Aussagen sucht der aufmerksame Surfer auf den Internetseiten der DGB-Familie vergeblich. Dabei wären Pressemeldungen - von manchen Zynikern als die »stärkste Waffe der Arbeiterbewegung« belächelt - immerhin ein erster, wenn auch symbolischer Schritt. Schließlich lässt die Berichterstattung in Mainstreammedien über die Klassenkämpfe in Frankreich zu wünschen übrig.

In das durch die Passivität der Bundesvorstände hinterlassene Vakuum stoßen nun immer mehr gewerkschaftliche Untergliederungen und linke Aktivisten vor, die auf eigene Faust Solidaritätsaktionen und Informationsveranstaltungen organisieren und direkte Kontakte nach Frankreich pflegen und ausbauen. An der Grenze und somit nah am Geschehen sitzt der DGB-Kreisverband Saarbrücken. Er erklärte sich jetzt solidarisch mit den Aktionen gegen die Aushöhlung des Arbeitsrechts in Frankreich und den Vorschlägen der Brudergewerkschaften CGT und FO und »verurteilt entschieden die Versuche, gewerkschaftliche Aktivisten einzuschüchtern oder zu kriminalisieren«. Auf dem Dach einer Werkshalle bei Daimler in Bremen brachten Arbeiter ein Transparent an. Es trägt die Aufschrift »Wir grüßen die französischen Arbeiter im Streik gegen deutsche Verhältnisse.« Für Donnerstagabend hatten örtliche Gliederungen von DGB, IG Metall und ver.di zusammen mit Attac und Arbeitslosentreff in Tübingen zu einer Solidaritätskundgebung aufgerufen, bei der auch Raymond Ruck von der französischen Gewerkschaft CGT im Elsass als Redner angekündigt war. Im Mannheimer Gewerkschaftshaus referierte der Pariser nd-Reporter Bernard Schmid am Donnerstagabend auf Einladung eines Aktionsbündnisses mit Unterstützung der IG Metall Mannheim und IG BCE Weinheim über die aktuelle Lage.

In der hessischen Opelstadt Rüsselsheim hatten DGB, ver.di, Naturfreunde und Attac dieser Tage CGT-Aktivisten aus der nordfranzösischen Partnerstadt Evreux bei einer Informationsveranstaltung zu Gast und beschlossen eine Solidaritätsresolution. Durch Vermittlung der linken Basisgewerkschaft SUD Rail besuchten Aktivisten der Basisinitiative Bahn von unten in der vergangenen Woche streikende Eisenbahner in Nancy (Lothringen) und fanden mit einem Grußwort bei der täglichen Streikvollversammlung beteiligten Gewerkschaften ein großes Echo.

In die Pariser Massendemonstration am Dienstag reihten sich etliche aus Deutschland angereiste Gewerkschafter und Mitglieder linker Organisationen ein,darunter der frühere NGG-Bundesstreikbeauftragte Jürgen Hinzer, der in der Vergangenheit zahlreiche Solidaritätsbesuche bei bestreikten Betrieben der Lebensmittelbranche in Frankreich organisiert hatte. Wer zumindest online seine Solidarität mit den französischen Gewerkschaftern bekunden möchte, kann unter entsprechenden Appell des wissenschaftlichen Beirats von Attac digital unterzeichnen, der seit einigen Tagen die Runde macht.

dasND.de/Frankreichsoli

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -