Mehr Licht, aber auch viel Schatten

Bildungsbericht 2016: Integration von Flüchtlingen erfordert höhere Bildungsinvestitionen

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Integration der Flüchtlinge wird nur dann gelingen, wenn die Investitionen in das Bildungssystem massiv erhöht werden. Zu diesem Schluss kommt der aktuelle Bildungsbericht.

Thomas Rauschenbach ist optimistisch. Schon einmal - zu Beginn der 1990er Jahre - habe Deutschland die Herausforderung im Wesentlichen gemeistert, Hunderttausende von Flüchtlingen eine Perspektive auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu verschaffen, betont der Direktor des Deutschen Jugendinstituts. Rauschenbach gehört zu dem Expertengremium, das in den vergangenen Monaten den sechsten Nationalen Bildungsbericht erarbeitete. Der seit 2006 alle zwei Jahre herausgegebene Bericht, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde, beschäftigt sich diesmal mit dem Schwerpunkt »Bildung und Migration«. Die Autoren des unter Federführung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) entstandenen Reports können nach eigenen Angaben bislang nur schätzen, wie hoch der Investitionsbedarf sein wird. Allein für die Bildung und Ausbildung der 2015 nach Deutschland geflüchteten rund eine Million Menschen - darunter rund 30 Prozent Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre - sei die Einstellung von 33 000 bis 44 000 Erziehern, Lehrern und Sozialarbeitern nötig. Vor allem die sprachliche Bildung bleibe für die nächsten Jahre eine »vordringliche Aufgabe«, heißt es in dem knapp 300-seitigen Bericht. Die Forscher gehen von einem zusätzlichen Finanzbedarf für das Bildungssystem von 2,2 bis 3 Milliarden Euro in den kommenden Jahren aus.

Insgesamt attestiert der Bericht dem deutschen Bildungssystem Fortschritte bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen insbesondere für junge Menschen aus Einwandererfamilien. So besuchten mittlerweile mehr als 90 Prozent der Vier- und Fünfjährigen eine Kita, auch sei der Anteil von Migranten in höheren Bildungseinrichtungen (Gymnasium, Hochschulen) seit 2006 gestiegen. In dieser Gruppe besitze heute ein ähnlich hoher Anteil einen Hochschulabschluss wie in der Gruppe der Nicht-Migranten. Im mittleren Qualifikationsbereich (Realschulabschluss, Berufsbildungsabschluss) seien die Zahlen seit Jahren konstant. Problematisch sei allerdings, dass unter den Jugendlichen aus Einwandererfamilien die Zahl jener, die die Schule ohne Abschluss verlassen, unverändert hoch sei.

Der Bericht macht allerdings deutlich, dass die Frage des Bildungserfolgs weniger von der nationalen oder kulturellen Herkunft abhängt, sondern vielmehr maßgeblich von sozialen Faktoren beeinflusst wird. Der Bericht spricht diesbezüglich von einem »starken Nord-Süd-Gefälle«, das »zu ungleichen Rahmenbedingungen für Kinder« führe. So leben beispielsweise in Bremen rund 33 Prozent der Kinder in Familien, die von einer »finanziellen Risikolage« geprägt sind, in Bayern beträgt der Anteil der Kinder aus armen Familien dagegen lediglich 12 Prozent. Gleichzeitig sind dort die sogenannten bildungsbezogenen Risiken (schlechtere Schulabschlüsse, weniger Bildungsangebote) mit sieben Prozent dreimal so niedrig wie im Stadtstaat Bremen (20 Prozent). Nicht viel anders sieht es in den ostdeutschen Ländern aus; hier wirkt sich die Strukturschwäche vieler Regionen negativ aus: »Jugendliche mit maximal einem Hauptschulabschluss haben in Ostdeutschland schlechtere Chancen auf eine Lehrstelle und für ostdeutsche Absolventinnen und -absolventen einer Ausbildung bestehen nicht nur überdurchschnittlich hohe Arbeitsmarktrisiken, sie erreichen auch niedrigere Einkommen«, heißt es in dem Bericht.

DIPF-Bildungsforscher Kai Maaz warnt deshalb: »Der Zugang zu Bildung erfolgt nach wie vor unter sehr ungleichen Voraussetzungen. Soziale Herkunft, Migrationshintergrund und zunehmend auch regionale Rahmenbedingungen üben einen starken Einfluss auf den Bildungserfolg aus.« An die Politik appellierte Maaz, die Anzahl gering qualifizierter Menschen zu reduzieren.

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) zweifelt ebenso wenig an den Zahlen wie die Kultusministerkonferenz. Wanka verwies bei der Vorstellung des Berichts auf die Anstrengungen der Politik, die Bereitschaft zu einer betrieblichen Ausbildung zu stärken.

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