Schulsanierungskosten explodieren
Erste Zahlen der Bezirke lassen auf bis zu fünf Milliarden Euro Sanierungsbedarf schließen
Erst Dezember, dann März, nun Juni: Der Bildungssenat hatte die Frist für die Abgabe der sensiblen Daten schon zweimal verschoben. Nun, wo die Veröffentlichung der Ergebnisse des »Gebäudescans« der Schulen durch die Bezirke kurz bevorsteht und das Ausmaß des Sanierungsbedarfs in Ansätzen sichtbar wird, liegen die Nerven in der Bildungsverwaltung offenbar blank.
Am Mittwoch hatte der Bezirksstadtrat für Schule, Oliver Schruoffeneger (Grüne), die Zahlen öffentlich gemacht: Auf 368,1 Millionen Euro schätzt er den Sanierungsbedarf, ließ er auf der Homepage des Bezirks verlautbaren, und veröffentlichte gleich noch ein politisches Statement hinterher. Der Staatssekretär für Bildung, Mark Rackles, der auch die von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ausgerufene »Taskforce« zum Schulneubau leiten soll, reagierte prompt: In einem Brief warf er dem neugewählten Bezirksstadtrat vor, die Zahlen überhaupt zu veröffentlichen. Zudem solle er erklären, wie es zu einer Versiebenfachung der Summe von 2012 kommen konnte. Damals hatte der Bezirk einen Sanierungsbedarf von 54,9 Millionen angemeldet. Zuletzt sei Schruoffenegers Behauptung falsch, elektrische Anlagen, Lüftungen und Heizungen seien im »Gebäudescan« nicht erfasst worden.
Schruoffeneger wehrt sich: »Das objektiviert die Debatte doch, wenn die Zahlen öffentlich sind«, sagte er dem »nd«. Die Kritik könne er sich nur so erklären, dass die Senatsverwaltung selbst über die hohen Zahlen irritiert sei. 2012 sei nur eine grobe Schätzung abgefragt worden. Die Bezirke sollten angeben, welche Summe sie in den nächsten drei Jahre bräuchten, um den Betrieb aufrecht zu halten. Jetzt mussten Sportplätze sowie Umbauten für Inklusion und energetische Wende einberechnet werden. »Das ist eine völlig andere Frage.« Schrouffeneger räumte ein, dass technischen Anlagen anders als von ihm behauptet, im Fragebogen, den eine Arbeitsgemeinschaft unter der Leitung der Bildungsverwaltung erstellt hatte, erfasst wurden - allerdings nur pauschal. Bei einer individuellen Prüfung »würde noch mehr rauskommen«, denn viele Schulgebäude in seinem Bezirk stünden unter Denkmalschutz. Weiterhin seien Baunebenkosten wie Rechnungen für Architekten nicht mitberechnet. Diese steigerten die Kosten noch einmal um bis zu 25 Prozent. »Das klingt dann natürlich noch dramatischer.«
Auch Lichtenberg und Reinickendorf hatten laut Medienberichten enorme Kostensteigerungen ermittelt: Fast vervierfacht hat sich der Bedarf in Lichtenberg, um ein Drittel hatte sich die Schätzung in Reinickendorf erhöht. Stefanie Remmlinger, bildungspolitische Sprecherin der Grünen, glaubt den Bezirken die Zahlen. »Alle scheinen sich um die 400-Millionen-Marke einzupendeln.« Rechne man die Zahlen auf die zwölf Bezirke hoch, sei man schnell bei einer Summe von fünf Milliarden Euro - statt der 2012 geplanten 1,9 Milliarden Euro.
Regina Kittler hat die Finanzverwaltung gefragt, ob der Bedarf nun bei über vier Milliarden Euro läge. Diese habe das nicht bestritten. »Das heißt: Es ist so«, sagt die bildungspolitische Sprecherin der LINKEN. Ob alle Bezirke am 30. Juni ihre Ergebnisse melden, bezweifelt sie. Einige Bezirke hätten zudem zu wenig Personal. »Es wäre sinnvoll gewesen, externe Gutachter mit dem Scan zu beauftragen. Damit hätte man auch eine objektive Sicht gehabt.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.