Sanders' Revolution geht weiter

Online-Rede für eine Wandlung der Demokratischen Partei / Peoples Summit für eine eigene Bewegung

  • Max Böhnel, Chicago
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach einer programmatischen Rede von Bernie Sanders treffen sich in Chicago am Wochenende Graswurzelaktivisten zur Bewegungskonferenz.

Der demokratische Sozialist Bernie Sanders macht wieder von sich reden. Nach internen Beratungen, die der 74-jährige Senator aus Vermont mit seinem Wahlkampfteam nach dem Ende der Vorwahlperiode abgehalten hatte, kündigte er am Donnerstagabend in einer online ausgestrahlten Rede eine Verlagerung der Prioritäten an. Um die »politische Revolution« fortzusetzen, müsse sowohl die Demokratische Partei reformiert als auch über eine dauerhafte Bewegung nachgedacht werden, die über die Wahlzyklen hinaus in der politischen Landschaft der USA wirksam ist. Zwar werde er mit Hillary Clinton gegen die Republikaner und deren designierten Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zusammenarbeiten. Aber »Donald Trump zu besiegen kann nicht unser einziges Ziel sein«, sagte Sanders, »wir müssen mit unserer Graswurzelbewegung weitermachen«.

Sanders machte deutlich, dass er dem Druck der Medien und der Führung der Demokratischen Partei, seine Wahlkampfkampagne einzustellen und zur Wahl von Clinton aufzurufen, nicht nachgeben werde. »Ich freue mich auf weitere Diskussionen zwischen beiden Wahlkampflagern in den kommenden Wochen«, sagte er mit Blick auf die Formulierung der Parteiprogramms. Es soll Ende Juli in Philadelphia auf dem Parteitag der Demokratischen Partei feststehen und laut Sanders »das fortschrittlichste Programm der Parteigeschichte werden«. Die Partei will er in eine »Partei arbeitender Menschen und junger Menschen und nicht nur reicher Wahlkampffinanziers« verwandeln.

Die Sanders-Rede wurde von mehr als 100 000 Menschen im Internet verfolgt und erhielt größtenteils Zustimmung. Eine Woche davor war Hillary Clinton von den Mainstreammedien zur uneinholbaren Wahlsiegerin im Vorwahlkampf und zur designierten Präsidentschaftskandidatin der Demokraten erklärt worden. Tatsächlich führt sie bei der Zahl an Parteitagsdelegierten, die sie Ende Juli mit größter Wahrscheinlichkeit auch zur amtlichen Kandidatin krönen werden.

Mit mehr als 1900 Sanders-Delegierten, die für den Senator aus Vermont stimmen werden, hat sich die linke Reformerfraktion aber großes Gewicht verschafft. Darauf reagierte die Clinton-loyale Parteiführung schon vor zwei Wochen, indem sie dem Sanders-Lager das Mitspracherecht bei der Formulierung des Parteiprogramms zugestand. Darüber hinaus steht die Rolle der sogenannten Super-Delegierten, die Sanders abschaffen will, ebenso zur Debatte wie der Rücktritt des Democratic National Committee Debbie Wasserman-Shultz.

Sanders mahnte in seiner Rede einerseits den Marsch durch die Institutionen an: die Politik in den Gemeinden, Einzelstaaten und im Kongress. Andererseits wies er darauf hin, dass mit seiner spektakulären Vorwahlkampagne das Fundament für eine soziale und politische Bewegung außerhalb der Demokratischen Partei gelegt ist. Das Spendenaufkommen betrug mehr als 200 Millionen Dollar, die durchschnittliche Einzelspende 27 Dollar. Eineinhalb Millionen Menschen besuchten seine Wahlkampfveranstaltungen. Freiwillige machten mehr als 75 Millionen Anrufe bei Wählern, um für Sanders und seine Vorstellungen zu werben.

Die Frage des Zusammenspiels zwischen Bewegung und Parteireform werfen unterdessen seit Freitagabend in Chicago Tausende von Graswurzelaktivisten auf. Auf dem »People›s Summit« kommen Vertreter der größten Organisationen zusammen, die Sanders unterstützt haben, zum Beispiel die Krankenpflegergewerkschaft »National Nurses Union«, die Umweltschutzorganisation 350.org, Social-Media-Experten, die mitgliederstärkste linke USA-Gruppierung »Democratic Socialists of America« und zahlreiche kleinere linke Organisationen.

Wie es weitergeht, ist heftig umstritten. Denn die Inside-Outside-Strategie (Bewegung plus Parteireform) halten manche für naiv. Sie schlagen dagegen Organisationsform vor, die von der Demokratischen Partei gänzlich unabhängig sind. Andere wiederum warnen vor dem Rückfall der zersplitterten USA-Linken in die Isolation.

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