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Gabriel für »Bündnis aller progressiven Kräfte«

SPD-Chef fordert Mitte-links-Parteien auf, »Eitelkeiten und Spaltungen zu überwinden« / Politiker von Grünen und Linken skeptisch / »Aggressive Herausforderung« von Rechts verlangt nach »mehr Kampfbereitschaft der demokratischen Linken«

  • Lesedauer: 5 Min.

Berlin. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich für ein »Bündnis aller progressiven Kräfte« gegen die Gefährdung von Rechts ausgesprochen. »In Europa müssen progressive Parteien und Bewegungen füreinander bündnisbereit und miteinander regierungsfähig sein«, so der Sozialdemokrat in einem Beitrag für das Magazin »Spiegel«. In Europa müssten »progressive Parteien und Bewegungen füreinander bündnisbereit und miteinander regierungsfähig sein«. Dies gelte auch für die Bundesrepublik, so Gabriel.

Der SPD-Chef dürfte dabei, ohne Linkspartei und Grüne direkt anzusprechen, auch die seit langem laufende schwierige Debatte über rot-rot-grüne Kooperationen im Kopf gehabt haben. Gabriel weiß um die Schwierigkeiten – aber auch um die akute Herausforderung: »Das verlangt einiges von der Sozialdemokratie und ihren denkbaren Partnern. Doch der Gegner der Demokratie steht rechts. Deutschland braucht jetzt ein Bündnis aller progressiven Kräfte. Denn es geht um verdammt viel.« Die Parteien des Mitte-Links-Lagers müssten »sich besinnen, um ihren notorischen Missmut, ihre Eitelkeiten und Spaltungen zu überwinden. Nicht kleinmütig, sondern überzeugt und couragiert gewinnen wir.«

Die Sache mit der »progressiven Regierung«
»Wenigstens den Eindruck erwecken«: Grüner Fraktionschef drängt SPD zu Rot-Rot-Grün / Hofreiter aber skeptisch: Glaube Gabriel den Linksschwenk nicht / Rot-Rot-Grün in Thüringen ohne Mehrheit

Die Diskussion über Grenzen und Chancen einer Kooperation links der Union ist seit einiger Zeit auch vom Rechtsruck in Deutschland und Europa gezeichnet. Mehrfach wurde dabei appelliert, die Gefahren ernst zu nehmen und auch als Herausforderung bündnispolitischer Fragen zu begreifen. Zuletzt hatte auch der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter für das Offenhalten einer rot-rot-grünen Option nach den Wahlen 2017 plädiert – und die SPD dazu aufgefordert, endlich eine Bewegung in diese Richtung zu machen. Auch im Zusammenhang mit der Debatte um eine Nachfolge für Bundespräsident Joachim Gauck hatte es Aufrufe gegeben, diese Personalie zugleich auch zu einem Signal einer möglichen Kooperation von SPD, Linkspartei und Grünen zu machen. Nicht nur Linkenpolitiker hatten eine Debatte über einen gemeinsamen Kandidaten gefordert. Dies solle im »Schulterschluss mit der gesellschaftlichen Linken« geschehen, hieß es aus der Linkspartei. Auch SPD-Linke hatten sich in diese Richtung geäußert.

Gegenüber dem »Tagesspiegel« sagte Berlins Linkenchef Klaus Lederer, Gabriel sei »zuletzt nicht durch Konsequenz, sondern durch Zickzack aufgefallen. Bisher waren alle Signale in Richtung Rot-Rot-Grün nur Rhetorik. Ob diesmal mehr dran ist, wird man sehen«. Lederer sieht den SPD-Vorsitzenden in der Bringschuld, sieht aber auch eine »Chance, zerschlagenes Porzellan zu reparieren«.

Linkenchefin Katja Kipping hatte schon zuvor mit Blick auf rhetorische Ausflüge des SPD-Vorsitzenden auf das Feld der sozialen Gerechtigkeit erklärt, sich auf das Thema »zu stürzen, scheint gerade ein Trend zu sein. Die Frage bei SPD und Grünen ist jedoch, was trägt man nächste Saison. Ich meine der Einsatz für Gerechtigkeit sollte eine Frage von grundsätzlicher, verlässlicher Haltung sein und keine Modeerscheinung, die man wie zum Beispiel Schulterpolster je nach Mode mal einsetzt und dann wieder sein lässt.«

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei begrüßte Gabriels Vorstoß. »Eine Re­gie­rung dies­seits der Union ist mög­lich und nötig«, sagte er der »Bild am Sonntag«. Voraussetzung für ein solches Bündnis sei aber, »dass die Beteiligten einander respektieren und aushalten«. Eine progressive Agenda müsse »soziale Sicherheit und innere Sicherheit verbinden« so Ramelow.

In dem Gastbeitrag im »Spiegel« setzt sich Gabriel mit unter anderem mit jenem Teil des Feuilletons auseinander, der als »rechter Ideologielieferant« wirkt. Namentlich nennt der SPD-Politiker dabei unter anderem Peter Sloterdijk und Thilo Sarrazins. Hier bestehe auch eine Verbindung zu den Ideologen der Rechtsaußen-Partei AfD. Gabriel wörtlich: Dies sei »Brutalität und Niedertracht hinter bürgerlicher Fassade, Rassismus im Feuilletonstil«. Viele Funktionäre der AfD und ihre bürgerlichen Sympathisanten seien »seit Jahrzehnten wütend« auf die seit 1968 Zug um Zug liberaler und weltoffener gewordene Republik. »Hier kämpft nicht eine ›neue Rechte‹ um die Zukunft des deutschen Volkes, sondern hier will die alte Rechte Rache nehmen an denen, die sie als Verräter am deutschen Nationalkonservativismus betrachtet«, so der SPD-Chef.

Der SPD-Chef mahnte, »im Moment der aggressiven Herausforderung unserer offen-demokratischen Republik wird die Frage nach dem Widerpart lauter«. Die von der Politik viel beschworene »Mitte« reiche »als Verortung für das demokratische Lager nicht mehr aus. Denn um die bürgerliche Mitte ist ja gerade der Kampf entbrannt. Ein Kampf um die Definitionsmacht, wofür diese Mitte steht, und darum, wer ihre Interessen repräsentiert.« Gabriel stellt rhetorisch die Frage, ob es hinnehmbar ist »die radikalen Rechten sich als ›Lobby des Volkes‹ bezeichnen«. Er rief auch die Intellektuellen auf, sich einzumischen: Sie seien »historisch gefordert, ihre gezierte und selbstverliebte Distanzierung von der ruppigen Welt der Parteiendemokratie abzulegen«.

Gabriel setzte sich auch vom Koalitionspartner ab und machte Kanzlerin Angela Merkel mitverantwortlich für das Erstarken rechter Kräfte in Deutschland. »Es war eine der großen historischen Leistungen der Union, vielen alten Nazis und Deutsch-Nationalen in der jungen Bundesrepublik eine politische Heimat gegeben zu haben«, so Gabriel. Mit diesem Anspruch habe der frühere CSU-Chef Franz Josef Strauß schon recht gehabt. »Mit Angela Merkels politischer Entkernung der CDU haben die Unionsparteien ihre Bindekraft für dieses Milieu verloren.« tos

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