Ein Stuhl vor der Tür
Judith Hermann: Für das Vage in menschlichen Beziehungen hat sie eine feinsinnig-nuancierte Sprache
Es gibt da einen interessanten Widerspruch: Die Autorin will uns Menschen nahebringen, die selber keine Lust hätten, uns nahezukommen. Als ob sie von etwas erlöst werden müssten. Aber wie sollen wir das tun?
In diesem Herbst sammeln sich die Vögel früh, und sie werden vom Wind auseinandergerissen und treiben wieder zusammen und werden kleiner und ferner und ziehen dann weg. Die Brandherde der Kriege und Grenzen verschieben sich, die Flüchtlingsströme nehmen zu, Taifune zerstören ganze Landstriche sehr, sehr weit weg, und Seuchen brechen aus und ebben ab. Auf Doktor Guptas Schreibtisch liegt ein Buch von Bunin …» - Wie die Sprache fließt, was für eine Melodie sie hat, und welche Distanziertheit zugleich in ihr ist.
Mit ihrem neuen Erzählungsband «Lettipark» zieht Judith Hermann derzeit als Vorleserin durch die Lande. Sie deklamiert nicht, sie spricht eher verhalten, das Schwingende, Schwebende ihrer Texte hüllt die Zuhörer ein, hebt sie empor und schirmt sie ab. Der Lärm des Alltags bleibt draußen: all die Erregungen, mit denen wir letztlich bloß unterhalten werden sollen und die uns immer wieder ohnmächtig zurücklassen.
Die Stimm...
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