Distanz und Empathie

Max Beckmanns Selbstporträts in Chemnitz

  • Gunnar Decker
  • Lesedauer: ca. 5.5 Min.

In Max Beckmanns Bildern, die jetzt in Chemnitz zu sehen sind, findet sich eine Ästhetik des Schreckens, eine nicht mehr stumme, sondern laut schreiende Passion in der bis eben verteidigten kalten Distanz des Blicks.

Andere so lange anzuschauen, bis in ihren Gesichtern jene Züge sichtbar werden, die nicht lügen, bereitet zweifellos Vergnügen. Reißt ihnen die Masken der Lüge herunter! Klingt entlarvend. Soll Kunst entlarven? Spätestens beim Selbstporträt wird die Sache brisant, um nicht zu sagen: fatal. Da beißt sich die Kunst in agitatorischer Absicht heftig ins eigene Gesäß. Die souveräne Geste misslingt, weil man zwar in kritischer Absicht über andere gern hart urteilt, aber dieses Verfahren doch nicht umstandslos auf sich selbst anwendet. Kann man auch nicht, das wäre so, als würde man von sich selbst Karikaturen anfertigen.

Im Selbstporträt kommt etwas hinzu: ein Erschrecken über jene Züge, die man im Spiegel (nicht dem an der Wand, sondern dem des inneren Maßstabs an die eigene Erscheinung) erblickt. Wer sich selbst ins Bild bringt, das mehr als bloßes Abbild ist (dazu reicht ein sogenanntes Handy-Selfie), der spricht über sich ein Urteil...


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