Vom Regen in die Sonne

Belegschaft des Sägewerks der Klenk Holz AG in Baruth kämpft für einen Tarifvertrag

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Nach fünf Wochen haben die Beschäftigten der Kleng AG am brandenburgischen Standort Baruth ihren zuletzt unbefristeten Streik ausgesetzt. Sie geben aber keinesfalls auf.

Es regnet wieder einmal heftig. An der Einfahrt des Sägewerks der Klenk Holz AG im brandenburgischen Baruth hat sich eine riesige Pfütze gebildet. Wenn die Holzlaster mit den rohen Baumstämmen durchfahren, spitzt unter ihren Reifen eine Fontäne zur Seite.

Es ist Freitag vor einer Woche und es ist kein gutes Wetter für Streikposten. Aber das sind die Männer vom Sägewerk schon gewöhnt. Fast fünf Wochen lang haben sie für für einen Tarifvertrag gekämpft, zunächst seit dem 18. Mai immer wieder für einen oder mehrere Tage die Arbeit niedergelegt, dann ab 8. Juni unbefristet gestreikt. Bei drückender Hitze haben sie im prallen Sonnenschein vor dem Werkstor An der Birkenpfuhlheide 1 genauso ausgehalten wie bei schweren Gewittern.

Der Konflikt spitzte sich zuletzt zu. Streikposten stellten sich vor die Holzlaster. Ein Fahrer habe die Anweisung erhalten, trotzdem Gas zu geben und die Kollegen langsam wegzuschieben, berichtet Anton Gorisek von der Gewerkschaft IG Metall fassungslos. Die Klenk Holz AG rief schließlich auch die Polizei, um eine Blockade der Werkseinfahrt aufzulösen. Die 35 Beamten zückten schon die Handschellen, ein Bus zum Abtransport stand bereit, erzählt Gorisek. Er sitzt gemeinsam mit dem Betriebsratsvorsitzenden Oliver Wenske in einem Wohnmobil am Straßenrand. Vor sich auf den Tisch hingelegt haben sie die Zettel zur Abrechnung des Streikgeldes. Ab und an klopft es an der Tür und ein oder zwei Leute holen sich ihr Formular ab.

Drei Dutzend Männer stehen und sitzen an diesem Freitag unter zwei Partyzelten, auf die der Regen prasselt. Eine Fahne der IG Metall ist dort angebracht. Mal flattert sie im Wind, mal hängt sie nass und schlaff herab. Vorerst zum letzten Mal streiken die Beschäftigten. Aus 315 Kollegen besteht die Belegschaft des Sägewerks. 89 Prozent der Mitglieder der IG Metall im Betrieb votierten zu Beginn bei einer Urabstimmung für den Arbeitskampf.

Doch nachdem die Klenk Holz AG in der vergangenen Woche ein Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg erwirkte, wonach die Streikposten die Einfahrt nicht versperren dürften, setzte die Belegschaft ihren Streik vorerst aus. Ab Montag, mit der Frühschicht beginnend, sollen alle wieder zur Arbeit gehen, so der Beschluss. Das sei nicht das Ende der Auseinandersetzung, versichern die Kollegen. Die Vorstellung, dass sie aufgeben, weisen sie ganz entschieden zurück.

Die Prämie von 50 Euro am Tag, die Streikbrecher ausgezahlt bekamen, halten sie für unzulässig und möchten die Summe deshalb für alle Streikenden einklagen. Außerdem wollen sie die Geschäftspartner des Finanzinvestors Carlyle Group, der hinter der Klenk Holz AG stehe, auf die Geschäftsgebaren des Unternehmens aufmerksam machen. Und sollte der Vorstand der Klenk Holz AG nicht bis Ende August einlenken und an den Verhandlungstisch kommen, so werde der Streik wieder aufgenommen, warnt Gewerkschaftsfunktionär Gorisek. Bisher habe der Vorstandsvorsitzende Markus Adams drei Gesprächstermine kurzfristig abgesagt. Gorisek und der Betriebsratsvorsitzende Wenske möchten unbedingt einen Tarifvertrag.

Bisher gebe es nicht einmal einen Haustarif, sondern ausschließlich Einzelverträge, moniert Wenske. Welcher Mitarbeiter wie bezahlt werde, dies richte sich »nach der Nase«, bedauert Wenske. Zusammen mit Gorisek rechnet er vor: 13,97 Euro sei der durchschnittliche Stundenlohn, doch die Hälfte der Belegschaft erhalte weniger, im Extremfall nur 10,80 Euro. Dafür wird 40 Stunden in der Woche geschuftet, während der Flächentarifvertrag 38,5 Stunden vorschreibe. Urlaubs- und Weihnachtsgeld gebe es überhaupt nicht. Bloß einige Glückliche erhalten auch in Baruth das deutlich höhere Gehalt, das am Stammsitz des Unternehmens im baden-württembergischen Oberrath gezahlt wird.

Im Prinzip fordert die IG Metall diesen Stundenlohn für alle. Die Klenk Holz AG zeigt dafür keinerlei Verständnis. »Die Situation ist absurd«, findet der Vorstandsvorsitzende Markus Adams. Nach Verlusten im Jahr 2014 habe die Aktiengesellschaft erst 2015 wieder ein positives Ergebnis erzielen können. Anfang 2016 habe man die Löhne in Baruth um 2,5 Prozent erhöht und für 2017 seien weitere 2,5 Prozent mehr in Aussicht gestellt. Doch die Forderungen der IG Metall würden auf ein Plus von 17 Prozent hinauslaufen und dies sei nicht machbar.

Das stimme alles vorne und hinten nicht, sagt Gorisek trocken. »Herrn Adams haben wir hier schon den Doktortitel aberkannt, weil er nicht rechnen kann.« Die IG Metall würde sich auf einen Kompromiss einlassen, verlange keineswegs auf Biegen und Brechen das Lohnniveau von Oberrath. Doch so viel wie bei dem holzverarbeitenden Betrieb gleich nebenan im Gewerbegebiet müssten es schon sein. 500 000 Euro im Jahr wären für eine solche Angleichung erforderlich, sagt Gorisek.

Betriebsrat Wenske fügt hinzu, ungerecht bleibe die schlechtere Bezahlung dennoch. Schließlich schaffe das Sägewerk in Baruth mit weniger Mitarbeitern mehr Holzeinschnitt als die Kollegen in Oberrath. Latten und Bretter zum Verkauf in Baumärkten werden in Baruth zugechtgesägt und gehobelt. Außerdem werden dicke Balken für Dachstühle gefertigt.

Die CDU-Landtagsabgeordneten Roswitha Schier und Danny Eichelbaum zeigen zwar Verständnis für den Wunsch nach einem Tarifvertrag, warnen die Beschäftigten aber, die Arbeitsplätze im Sägewerk und bei den Zulieferbetrieben nicht aufs Spiel zu setzen. Dagegen zeigen sich die Abgeordneten Andreas Bernig und Anita Tack (beide LINKE) ohne Abstiche solidarisch. Bernig und Tack spendeten je 100 Euro für die Streikkasse. Nur rund 30 Prozent der Betriebe in Brandenburg seien tarifgebunden, bedauert Bernig. »Das ist viel zu wenig.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.