Schwarz-Rot will Fracking durchpressen
Bundestag wird nun über Gesetzespaket zur umstrittenen Fördermethode entscheiden
Viel Zeit hatten die Umweltschutzgruppen für die Formulierung ihres Brandbriefes nicht: »Lehnen Sie das ausgehandelte Gesetzespaket ab und setzen Sie sich im Bundestag stattdessen für ein flächendeckendes Verbot von Fracking zur Gewinnung von Kohlenwasserstoffen ein«, appellieren unter anderem der BUND, das Umweltinstitut München und Robin Wood. Denn bereits diesen Freitag will Schwarz-Rot überraschenderweise ein Fracking-Gesetz durch den Bundestag winken lassen.
Dabei war es hierzulande lange still um die umstrittene Gasfördertechnologie, bei der ein giftiges Chemikaliengemisch in Gesteinsschichten gepresst wird. Vor ziemlich genau einem Jahr wollte die Bundesregierung schon mal kurz vor der Sommerpause ein Gesetzespaket durch den Bundestag boxen. »Wir führen sehr strenge Regeln ein, wo bislang keine klaren Regeln gegolten haben«, lobpreiste Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Doch Opposition und Umweltverbände sahen es anders. Für sie war das Regierungsvorhaben ein Fracking-Erlaubnisgesetz. Prinzipiell wäre damit nämlich die umstrittene Fördermethode auf rund zwei Dritteln der Fläche Deutschlands erlaubt worden - auch in besonders schützenswerten Regionen wie Natura2000-Gebieten.
Landauf, landab gingen die Menschen gegen das Gesetzesvorhaben auf die Straße. Sie unterschrieben zu Hundertausenden Petitionen, die ein Fracking-Verbot forderten. Noch im April gaben in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Emnid 80 Prozent der Befragten an, dass die gefährliche Fördermethode hierzulande verboten gehöre.
Gescheitert ist der erste Anlauf der Koalition jedoch nicht am Widerstand von Umweltverbänden und Opposition. Selbst in den eigenen Reihen gab es zu viele Nein-Sager. Der niedersächsische Unionsabgeordnete Andreas Mattfeldt etwa erklärte im Frühjahr 2015, dass es mehr als 100 Parlamentarier in seiner Fraktion gebe, die das Gesetz ablehnten.
Also war es erstmal ruhig ums Fracking. Bis der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) Mitte Juni der Bundesregierung die Pistole auf die Brust setzte. »Es ist höchste Zeit zu entscheiden. Wenn nicht auf Basis einer neuen Gesetzgebung, dann auf Basis der bestehenden Rechtslage«, sagte der BVEG-Vorsitzende Martin Bachmann auf der Jahrestagung der Fracking-Lobby und kündigte an, notfalls sein freiwilliges Fracking-Moratorium abzubrechen und auf die Bearbeitung der Anträge zu bestehen. Sekundiert wurde der Verband von Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD): »Wenn es nicht zu einer Regelung auf Bundesebene kommt, werden wir es auf Länderebene vernünftig lösen und umsetzen.« Rund 95 Prozent der deutschen Erdgasvorkommen befinden sich in Niedersachsen.
Ab da ging es schnell. Vergangenen Dienstag schon verkündete der CDU-Vizevorsitzende Armin Laschet zusammen mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann, dass sich die Koalition auf ein neues Gesetzespaket geeinigt habe. Und wieder frohlockte Umweltministerin Hendricks: »Ich freue mich, dass die jetzt gefundene Lösung die Belange des Umwelt- und Gesundheitsschutzes über die bereits vor längerer Zeit in der Koalition vereinbarten Verbesserungen hinaus nochmals deutlich akzentuiert.«
Und wieder halten Opposition und Umweltverbände nicht viel vom Vorhaben der Bundesregierung. »Mit diesem Gesetz bekommt die Erdgas-Industrie genau das auf dem Silbertablett serviert, was sie erst letzte Woche wieder gefordert hat: Rechtssicherheit, um noch die letzten Reste Erdgas aus dem Boden zu pressen«, erklärten der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter und die energiepolitische Expertin der Ökopartei, Julia Verlinden. Für den Fracking-Experten von der Linksfraktion, Hubertus Zdebel, »zerplatzt die Behauptung von den angeblich sehr strengen Regeln bei näherem Hinsehen wie eine Seifenblase«. Auch das leicht modifizierte Fracking-Regelungspaket solle das gefährliche Gasbohren großflächig in Deutschland ermöglichen.
So bleibt das sogenannte konventionelle Fracking im Sandgestein weiterhin prinzipiell erlaubt. Es wird lediglich in besonders sensiblen Gebieten weiter eingeschränkt. Etwa dort, wo Trinkwasser besonders gefährdet sein könnte: in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten, an Talsperren und Seen, die zur öffentlichen Wasserversorgung dienen.
Aber auch das sogenannte unkonventionelle Fracking, bei dem die Chemikalien in Schiefergesteinsschichten gepresst werden, soll nicht gänzlich verboten werden. Bis zu vier Probebohrungen will die Koalition zu »wissenschaftlichen Zwecken« erlauben. Wo diese Bohrungen stattfinden, darüber sollen die jeweiligen Landesregierungen entscheiden. »Hierdurch wird sichergestellt, dass in den Bundesländern, in denen Vorbehalte gegen das Fracking bestehen, die Möglichkeit besteht, auf politischer Ebene die Erteilung von Erlaubnissen für unkonventionelle Fracking-Vorhaben zu verhindern«, behauptet Hendricks.
Die Umweltverbände, die den Abgeordneten den Brandbrief geschrieben haben, halten dem aktuellen Gesetzespaket zugute, dass es zumindest ermöglicht, Fracking in und unter ehemaligen Bergbaugebieten zu verbieten. »Den Anforderungen des Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschutzes wird es trotzdem nicht gerecht«, schreiben die Verbände. Der Schutz von Klima, Natur, Trinkwasser und Gesundheit müsse oberste Priorität haben und dürfe nicht den Unternehmensinteressen der Erdgas- und Erdölindustrie geopfert werden.
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