Schottland will seinen »Platz in der EU schützen«
Neues Referendum wird vorbereitet / Regierungschefin Sturgeon: Wollen Unabhängigkeit von London und eigene Gespräche mit der EU
Berlin. Die schottische Regionalregierung bereitet ein zweites Referendum über die Unabhängigkeit von Großbritannien vor und will eigene Gespräche mit der EU aufnehmen. Die notwendigen rechtlichen Schritte würden jetzt vorbereitet, sagte Regierungschefin Nicola Sturgeon am Samstag in Edinburgh nach einem Treffen des Kabinetts.
Sturgeon sagte am Samstag, »das Kabinett hat zugestimmt, dass wir umgehend Gespräche mit EU-Institutionen und anderen EU-Mitgliedstaaten aufnehmen, um alle Möglichkeiten auszuloten, Schottlands Platz in der EU zu schützen.« 2014 hatten 55 Prozent Schotten in einem Referendum gegen die Unabhängigkeit Schottlands gestimmt. In der Volksabstimmung über den Brexit stimmte eine deutliche Mehrheit der Schotten für den Verbleib in der EU, insgesamt waren aber 52 Prozent der Briten für den Austritt. Bereits vor der Abstimmung hatte Schottlands Nationalpartei SNP, die mit absoluter Mehrheit regiert, ein zweites Unabhängigkeitsreferendum für den Brexit-Fall ins Gespräch gebracht.
Auch in Nordirland ist die Bevölkerungsmehrheit unglücklich über den Brexit. »Dem Vereinigten Königreich drohen Zwist und Zerfall«, schreibt die Deutsche Presse-Agentur. »Der Austritt aus der EU könnte langfristig auch das Ende des heutigen Großbritanniens sein.«
Die schottische Regierungschefin ist nicht für Hitzköpfigkeit, sondern für sachlich-nüchterne Beharrlichkeit bekannt. Der Politikwissenschaftler Michael Keating von der Universität Aberdeen geht davon aus, dass die Sache von Surgeon mit großer Vorsicht betrieben wird. »Sie werden das nicht ins Rollen bringen, bevor sie wissen, dass sie gewinnen«, sagt Keating. Sein Kollege Malcolm Harvey weist darauf hin, dass im Falle einer Unabhängigkeit Schottlands ein ganz neues Problem entstünde. Es gäbe dann zwischen Schottland und England »eine Grenze zwischen zwei Nationen - mit den Auswirkungen, die so etwas auf die Freizügigkeit haben kann«, gibt Harvey zu bedenken. Davor könnten Wähler zurückschrecken.
Die Grenzfrage stellt sich auf völlig andere Weise auch auf der irischen Insel. Seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind Grenzkontrollen zwischen der Republik Irland und dem zu Großbritannien zählenden Nordirland praktisch abgeschafft. Nach dem Brexit wittern nun einige die Gefahr, zwischen dem zur EU gehörenden Irland und dem ausgetretenen Vereinigten Königreich könnten die alten Arrangements außer Kraft gesetzt werden. Zudem sind die Nordiren ohnehin für den Verbleib in der EU, mit fast 60 Prozent stimmten sie am Donnerstag dafür. Dies bringt neuen Rückenwind für die Sinn-Fein-Partei, die eine Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland anstrebt. Vize-Premier Martin McGuinness von der Sinn Fein forderte sofort nach dem Brexit-Ergebnis, die Nordiren müssten nun auch »über ihre Zukunft mitbestimmen« dürfen. Agenturen/nd
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