Ein Herz für die Ewigkeit
Von früher Begabung, viel Pomp und der schönsten aller Welten
Er wurde als Sohn eines Lehrers geboren, der unter anderem die Kinder einer adligen Familie unterrichtete. Gemeinsam mit seinen drei Schwestern wuchs er in einer herzlichen und toleranten Atmosphäre auf. Da seine körperliche Konstitution etwas schwächlich war, schickte ihn sein Vater jeden Sommer zur Erholung aufs Land. Er liebte das Leben dort und verarbeitete so manchen Eindruck später in seinen Werken.
Bereits mit sieben Jahren erhielt er Klavierunterricht und gab mit acht sein erstes Konzert. In Würdigung seiner besonderen Begabung schenkte ihm eine Fürstin eine goldene Taschenuhr. Nachdem er bis zum Alter von 16 Jahren die Mittelschule für Knaben besucht hatte, schrieb er sich am Konservatorium ein. Er studierte Musiktheorie und Komposition, besuchte nebenher aber auch andere Vorlesungen an der Universität. Nach drei Jahren beendete er sein Studium und verließ zum ersten Mal für längere Zeit sein Zuhause. »Es bleibt mir nur noch Abschied zu nehmen, und das ist das Schlimmste«, klagte der Zwanzigjährige. »Ich habe das Gefühl, dass ich abreise, um zu sterben.« Tatsächlich sollte er seine Heimat nie wiedersehen. Zunächst fuhr er nach Wien, später ließ er sich in Paris nieder, in der »schönsten aller Welten«, wie er seiner Familie nicht ohne Stolz mitteilte: »Es ist so weit! Ich gehöre nun zur höchsten Gesellschaft; mein Platz ist zwischen Botschaftern, Fürsten und Ministern - ich weiß selbst nicht, wie ich da hineingeraten bin!«
Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit Konzerten, doch die Einnahmen deckten kaum die Kosten. Das änderte sich, als er über einen einflussreichen Gönner die Bankiersfamilie Rothschild kennenlernte, die ihm lukrative Auftrittsmöglichkeiten verschaffte. Sein großes Können und seine elegante Erscheinung trugen dazu bei, dass die Gesellschaft ihn vergötterte. »Sein Äußeres hatte etwas Harmonisches, Angenehmes«, schwärmte ein Zeitgenosse. »Sein dunkelbraunes Auge war eher heiter als träumerisch, sein Lächeln liebenswürdig und frei von aller Bitterkeit.« Bald konnte er sich einen eigenen Wagen samt Kutscher leisten und hatte mehrere Diener. Er ließ sich feine Anzüge schneidern und kaufte teure Parfüms und Süßigkeiten. Um seinen aufwendigen Lebenswandel finanzieren zu können, reichte es oftmals nicht, wenn er Konzerte gab und Kompositionen verkaufte. Er sah sich daher genötigt, wohlhabende Schülerinnen und Schüler am Klavier zu unterrichten. Zu seinem rasch wachsenden Freundeskreis zählten solche Berühmtheiten wie Honoré de Balzac, Heinrich Heine, Eugène Delacroix und Franz Liszt. Letzterer machte ihn mit einer Frau bekannt, die ihm anfangs gar nicht gefiel: »Ist sie denn wirklich eine Frau? Ich möchte es fast bezweifeln.« Erst nachdem er aufgrund einer unerfüllten Liebe in eine Lebenskrise geraten war, kamen beide sich näher und wurden schließlich ein Paar.
Mit 28 Jahren erkrankte er an Lungentuberkulose. In der Hoffnung auf Genesung verbrachte er mit seiner Geliebten und deren zwei Kindern einige Wochen auf Mallorca. Doch das Klima dort bekam ihm nicht, sodass er nach Frankreich zurückkehrte. Im Winter lebte er fortan in Paris und erteilte Unterricht. Die Sommermonate verbrachte er auf dem Land. Nach dem Scheitern seiner Beziehung war er bemüht, mit einer ehemaligen Schülerin, einer gebürtigen Schottin, eine neue Verbindung einzugehen. Gemeinsam reisten beide für sieben Monate nach England und gaben dort Konzerte. Doch die damit verbundenen Anstrengungen zerstörten seine Gesundheit vollends. Nicht lange nach seiner Rückkehr starb er mit 39 Jahren an Tuberkulose. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise. Lediglich sein Herz wurde seinem Wunsch gemäß in seine alte Heimat gebracht, wo es sich bis heute in der Säule einer Kirche befindet. Wer war's?
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.