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Die ruhende Schwere des Lebens

Jubiläumsausstellung des Käthe-Kollwitz-Museums: »Abschied und Tod«

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 4 Min.

Nach 30 Jahren seines Bestehens kann das Käthe-Kollwitz-Museum Berlin eine beeindruckende Erfolgsbilanz aufweisen: Fast 60 Ausstellungen, Leihgaben, die nach ganz Europa und bis nach Asien gingen. Die von Hans Pels-Leusden begründete Sammlung ist durch Sponsoren und Stiftungen, seit 2014 auch mit einer institutionellen Förderung durch das Land Berlin gesichert und erweitert worden. Zur Berliner Jubiläumsausstellung zeigt das Käthe-Kollwitz-Museum Köln, das »so etwas wie unsere ältere Schwester« ist, wie Iris Berndt, seit zwei Jahren Direktorin des Berliner Kollwitz-Museums, sagt, in der Bundeshauptstadt einen bedeutsamen Komplex von Zeichnungen und Radierungen aus den Jahren 1910/11 zum Thema Abschied und Tod.

Dieses Thema ist - wie auch das von Mutter und Kind - ein zentrales Thema im Werk der Kollwitz. Schmerzerfüllt hat die Mutter den Kopf des Kindes an ihr Gesicht gedrückt. In Umarmung und Kuss fügen sich beide Körper zusammen. Die Künstlerin folgt hier der Tradition des byzantinischen Madonnentypus der »Süss-Küssenden«, in dem die Gesichter von Maria und dem Jesuskind ineinander verschmolzen zu sein scheinen. Doch bei Kollwitz sucht der Tod der Mutter das Kind zu entreißen. In »Frau mit totem Kind auf den Knien« (1911, Kohle auf blau-grauem Papier) will die Mutter das tote Kind in ihre Arme zurückholen, sie presst es an sich - auch das Kind scheint nicht von ihr lassen zu wollen.

An unterschiedlichen Zustands- und Auflagendrucken der bekannten Radierung »Tod, Frau und Kind« (1911) kann man die Entwicklungsstufen dieses Themas und überhaupt die Arbeitsweise der Künstlerin ablesen. In einer frühen Fassung hat der Tod den Jungen mit seinem Arm umfasst, doch ist er selbst nur schwer auszumachen. Auch die Gesichtszüge der Mutter sind noch undeutlich. Erst im fünften Zustand entschied sich die Kollwitz dazu, der Mutter ihre eigenen Gesichtszüge zu geben. Sie hat nicht nur die Gesichter stärker herausgearbeitet, sondern auch den rechten Bildhintergrund mal verdunkelt und dann wieder aufgehellt. Die »Skizzen für die Druckgrafik zum Thema Tod« zeigen ein hockendes Mädchen mit angezogenen Knien, die »Kniende Frau« hat dagegen den Oberkörper bis zum Boden gesenkt.

In »Tod einer Mutter das kranke Kind entreißend« (1911, Kohle) tritt die Personifizierung des Todes deutlicher in Erscheinung als in der Zeichnung und ersten Radierung. Aber in allen Blättern haben wir es mit Gestalten und Szenen zu tun, die nur durch ein darüber huschendes Licht als aufzuckende Individuen erkennbar bleiben. Immer wieder sucht die Mutter mit ihren Augen, den Lippen, mit ihrem Atem verzweifelt das entwichene Leben des Kindes zurückzugewinnen, das sie einst in ihrem Schoße getragen hatte.

Aber bereits vorher sind Studien entstanden, die mal der trauernden knienden oder gebeugten Frau, mal dem Kind in Gestalt eines hockenden oder auf dem Schoß der Mutter sitzenden Mädchens galten. War in der Kohle-Zeichnung »Tod, Frau und Kind« (1911) die Gestalt des Todes nur schemenhaft als dunkler Schatten der ihr lebloses Kind umklammernden Mutter gegenüber gestellt, so ist daraus nun in »Tod einer Mutter das kranke Kind entreißend« (1911) ein Ringen um den in Deckweiß herausmodellierten Körper des Kindes geworden. Mit dieser Fassung war die Künstlerin aber ebenso unzufrieden wie mit der Kohlezeichnung »Tod einer Mutter das Kind entreißend«, in der in einem quadratischen Format jetzt der Tod als Knochenmann erscheint. Das Motiv der sich aneinander schmiegenden Gesichter von Mutter und Kind wird dann durch den Hell-Dunkel-Kontrast noch einmal gesteigert.

In ihren »Skizzen zum Thema Tod, Frau und Kind« entwickelte sie das Motiv des aufschwebenden Jünglings, das sie dann 1922/23 erneut aufgreifen sollte. Es ist hier ebenso an den Jakobstraum wie an die Kreuzabnahme Christi zu denken. Jetzt könnte man vermuten, dass die Mutter sich ihr Kind als durch den Tod erlöst vorstellt.

Es ist eine Ausstellung, in der der Betrachter seine eigenen Entdeckungen machen kann. Selbst dem mit dem Werk der Kollwitz Vertrauten eröffnen sich überraschende Bezugsfelder und Querverbindungen, weniger im Stilistischen als vielmehr in der Thematik und Motivik, im Ausdruckswillen und in der geistigen Grundhaltung der Künstlerin.

Bis 21. August, täglich 11-18 Uhr. Käthe-Kollwitz-Museum, Fasanenstr. 24.

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